Die Soko Friedhof ist zurück in meinen Hallen. Während das neue Untoten Album bei einem anderen Schreiberling auf dem Tische landete stürzte ich mich bereitwillig auf das neuste Produkt aus David A. Lines Seitenprojektschmiede. Nein, ich bin wirklich kein Fan – die bekannten „Klassiker“ der Soko („Blutrünstiges Mädchen“ und „Blutsauger“) sind in meinem Ohren nur solide, die Stilexkursionen oder eher -entgleisungen der „Mord“ und „Drom“ Phase lassen mich bis heute erschaudern (und „Drom“ würde ich momentan als die von mir am wenigsten gemochte Promo in 5 Jahren beim Medienkonverter ansehen), dann erschien 2011 anscheinend noch ein Album.... das ging an mir vorbei.... aber der Titel „Ghosts of Berlin“ und das Cover weckten mein Interesse. Und ein wenig Masochismus war wohl auch mit ihm Spiel. Impressionen vom Alexanderplatz und Maria von Lilienstein, die neue weibliche Stimme an Davids Seite: Das melancholisch in blau gehaltene Artwork wirkt ungemein friedlich, professionell und ernsthaft. Gerade die letzten beiden Punkte sind für Kenner des Projektes verwunderlich: bisher war die Soko doch eher ein trashiger Grobklotz, respektlos, (un)lustig und plump. Doch von alldem ist im Sound auf „Ghosts of Berlin“ nur der relativ hohe Gebrauch von Filmsamples geblieben. Elektronisch geht man immer noch zu Werke, aber die Berliner Geister sind abwechslungsreich, kreativ und … einfach schön. „Und ich breite meine Schwingen“ könnte mitsamt Sample noch ein Blutengel sein. Der eingängige Opener mit relativ einfachem Basskonstrukt ist gut, sicherlich auch tanzbar aber fast noch einer der schwächeren Songs des Albums. "In my age" und "Little girl" sind zauberhaft-melancholische Pop/Elektrostücke, "Is there anyone at home" erinnert zum ersten mal deutlich an den ganz alten Untoten Sound und David A. Lines Stimme klingt angenehm zerbrechlich. "Breathing together" geht in Richtung "Schmachteballade", Marias Stimme kommt hier besonders schön zur Geltung – trotz deutlichem Kitschfaktor hört man es einfach gerne. Elektronisch und fast schon etwas härter wird es bei "Speak to me" – toller Track, klasse Refrain und so mühevoll programmiert, dass man mit jedem Hördurchlauf etwas Neues entdecken kann. Starke erste Hälfte, die zweite kann dieses Niveau aber halten. Das Album als Gesamtwerk funktioniert Dank viel Abwechslung in den verwendeten elektronischen Elementen und Stilen. Einzig etwas störend sind gerade bewährten Mittel der Soko: Die Samples sind unnötiger Ballast, der nicht stört, aber oft die Frage aufwirft, was dasGanze mit dem eigentlichen Lied zu tun hat (z.B. die aus "Carrie" entliehenen Bibelbeschuldigungen vor "Speak to me"). Ein wirklich kleiner Makel an einem großen Album. Ein wenig Kitsch, ein wenig Schlager, ganz viel Pop und Ballade – verpackt in einem Elektrokostüm, das bisweilen an die spröden Untotenanfangsjahre erinnert und Dank viel Abwechslung und toller Ausarbeitung funktioniert. Ob die Soko das Ganze ernst nimmt und nun publikumsträchtiger sein will? Ich bin mir noch nicht sicher und warte auf das nächste Album. Dieses hier bekommt aber eine drinende Reinhörempfehlung für alle, die sich nicht fürchten, ein Elektroalbum einfach schön zu finden.