Im Moment komme ich nicht so sehr dazu, viel Musik mit Ruhe zu konsumieren und so müssen manche Promos etwas warten, bevor ich ihnen Zeit widme, um zu entscheiden, ob ich etwas schreibe. So der Fall bei Silence in the Snow, deren viertes Album bereits im September veröffentlicht wurde. Das Duo aus den USA hatte ich schon einmal in der Pipeline, das dritte Album gefiel mir, auch wenn es ziemlich bald aus meinem Bewusstsein verschwand. Ich hatte wirklich keine Motivation, eine weitere Belanglosigkeit zu rezensieren und schob die Hörproben entsprechend hinaus. Ein deutlicher Fehler, den ich nun korrigieren möchte.

2023 stehen Silence in the snow weiterhin für einen Stil, den ich in den 90ern als Goth Rock kennenlernte, der heute aber wahrscheinlich Post Rock oder wie auch immer genannt werden will. Ich habe meine alten Helden im Ohr, insbesondere an Faith and the Muse, The House of Usher und die Golden Apes. Aktuell würde mir Whispering Sons und ihre großartigen Alben einfallen, um eine Orientierung zu bieten. Aber anders als die genannten Bands (außer vielleicht Faith and the Muse), die deutlich introvertierter musizieren, knallen Silence in the Snow druckvoll nach vorne, stecken voller Energie und wirken leidenschaftlich. Instrumental kann ich am wenigsten über die Gitarrenarbeit berichten, denn die ist einfach zweckmäßig gut, aber die wirklich schönen elektronischen Elemente, die mal wavig, mal pumpender begleiten und das großartige Drumming machen so richtig Freude – hört euch mal den eigentlich ruhigen Beginn von „To hide“ an, der so voller Energie brodelt. Und auch stimmlich überzeugt das Duo, Sängerin Cyn erinnert mich weiterhin an Siouxsie Sioux und klingt mitreißend, ohne Alleinstellungsmerkmal zu sein.

Und auch die Auswahl an Liedern, die das Duo auf knapp 40 Minuten unterbrachte, haben mich umgehauen. Mag sein, dass es auch gerade meine Herbstdepression ist, die sich über diese freundlich-positive Energie freut, die wie Sonne in mein Zimmer scheint und mich erfasst – ich kann ‚Ghost eyes‘ nicht hören, ohne in Bewegung kommen zu wollen. Still sitzen ist (mir) kaum möglich. Man kann der Band vielleicht vorwerfen, dass die Stücke allesamt in eine ähnliche Kerbe schlagen, aber das ist so, als wenn man einer Black Metal Band den Black Metal vorwirft. Mir gefallen insbesondere der Opener oder das oben angesprochene „To hide“ mit dieser unterschwelligen Kraft, die wie ein Vulkan vor dem Ausbruch unter der Oberfläche brodelt. Auch das melancholisch-getriebene „A colder view“ reißt mich mit und der Titeltrack will getanzt werden.

Ja, ich glaube, ich irrte, als ich dieses Album mied und bin froh, mich doch noch drangesetzt zu haben. Seit ein paar Tagen tragen mich die beiden Musiker durch das triste Herbstwetter und ich will mal sehen, aber tatsächlich gefällt mir dieses Album deutlich mehr als damals ‚Levitation Chamber‘ und hat aktuell gute Chancen, in meinem Jahresrückblick erwähnt zu werden. Und darüber freue ich mich doch sehr, habe ich doch diese Musikrichtung von Herzen gerne, erlebe aber selten, dass Neues und Hörenswertes hinzugefügt wird.

Silence in the snow – Ghost eyes

22.09.2023 / Prophecy Productions


https://silenceinthesnow.bandcamp.com/


01. Drift
02. You Fade
03. To Hide
04. Dreams of Disbelief
05. Let the Wild In
06. A Colder View
07. Ghost Eyes Interlude
08. Ghost Eyes
09. All Fall Away
10. Death of the Heart