Manche Fans der Letzten Instanz werden sich schon gefragt haben, was aus Sänger Robin Sohn nach seinem Weggang Ende 2003 eigentlich geworden ist. Die Antwort liegt gerade in meinem CD-Player: „Winterlieder“, das Debut-Album seines derzeitigen Projektes Sand. Nun wage ich mal zu behaupten, daß der gemeine Letzte Instanz-Fan die CD nach dem ersten Hören wahlweise in die nächste Ecke oder dem armen Plattenverkäufer um die Ohren hauen wird – Iiiiih, Entspannungsmucke!!! Wem aber seinerzeit schon Songs wie „Schrei der Wale“ oder „Kopfkino“ gefallen haben, der sollte doch ein zweites Ohr riskieren und dabei das Booklet zur Hand nehmen. Hier zeigt sich nämlich, daß Sebastian Lohse (so Robin's bürgerlicher Name) so ganz und gar nicht harmonisch und entspannend sein will. Mit mal mehr, mal weniger verbrämten Spitzen und pointierten Wortspielereien werden sowohl gesellschaftlich/politische Mißstände als auch der ganz normale Beziehungswahnsinn auf's Korn genommen. Und so reimt sich hier ganz ungeniert „Pisser“ auf „Besserwisser“ („Bob“), oder aus „Ich will...ganz selbstlos sein“ wird plötzlich „....und mich selbst los sein“ („Nur Du“). Sebastian Lohse vermeidet dabei jedoch ganz bewußt direkte Statements. Er zwingt förmlich den Hörer dazu, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Lyrics werden dezent, wie ein Film, begleitet, womit wir beim zweiten kreativen Kopf von Sand wären. Frieder Zimmermann ist tatsächlich Filmkomponist und zugleich in mehreren experimentellen Projekten, wie u.a. dem Stahlquartett, tätig. Auf diesen Erfahrungen baut die Musik von Sand auf. Ruhige elektronische Flächen stehen neben den leisen Akkorden einer Akustikgitarre, aus dem Hintergrund erklingt ein Cello (bei „Was Uns Verbindet“). Percussions unterstreichen dort die Texte, wo es nötig scheint, ohne den Rhythmus zu bestimmen. Dadurch entstehen zwar manchmal einige Längen, Frieder Zimmermann schafft es allerdings genau dann, wenn die Aufmerksamkeit allzu sehr nachzulassen droht, überraschende Momente einzubauen. Das anfänglich liebliche „You Are“ steigert sich z.B. urplötzlich mit Trompete und E-Gitarre zu einem beinahe waschechten Blues, während bei „Immernochnichts“ unvermittelt ein vordergründig aus dem Zusammenhang gerissenes Sample den Hörer aufrüttelt. „Winterlieder“ ist KEIN Album zum Träumen, „Winterlieder“ konfrontiert mit der manchmal harten Realität, eingebettet in poetische Texte und sanfte Melodien. Und nur dem, der bereit ist, sich mit dieser künstlerischen Konfrontation auseinanderzusetzen, dem wird sich das Album in seiner Gänze erschließen. Anmerkung: Leider habe ich das Bonus-Video zu „Was Uns Verbindet“ auf meinem PC nicht zum Laufen gebracht – es kann daher nicht beurteilt werden.