Begeben wir uns kurz auf Zeitreise: Mit den Alben "Worship Him" (1990) und "Blood Ritual" (veröffentlicht 1992, möglicherweise _dem_ Death-Metal - Jahr), die zwar nicht der Originalität letzter Schluß, aber stimmungsvoll und handwerklich ordentlich gemacht sind, können sich Samael respektive Sänger/Gitarrist Vorphalack, Bassist Masmiseim und Schlagzeuger Xytras (wie ich Pseudonyme liebe...) eine feste Fan-Schar erspielen; zu diesem Zeitpunkt ahnen vermutlich weder Band noch Fans, welche Entwicklung die Musik des Schweizer Trios in den nächsten Jahren durchlaufen wird. "Ceremony Of Opposites", 1994 auf die Menschheit losgelassen, ist insgesamt atmosphärischer, wuchtiger, präsentiert ein deutlich ausgereifteres Songwriting und den ersten Schritt in Richtung dessen, was mit "Passage" (1996) folgen sollte: Schlagzeuger Xytras kümmert sich fortan um die Keyboards, überläßt das Drumming einem Schlagzeugcomputer (was den Schweizern damals vermutlich Steinigung eingebracht hätte, wäre die Platte auch nur einen Deut schlechter ausgefallen), die Band schreibt ihre bis dato intensivsten Songs ("rain", "a man in your head", "moonskin") und präsentiert sich, spätestens jetzt fernab der Black-Metal - Schublade, als intelligente Düster-Band, die sich mit zahlreichen spektakulären Live-Shows den Ruf von Metal-Avantgardisten erspielt... Das alles ist eine ganze Weile her; jetzt dreht "Reign Of Light" seine Runden in meinem CD-Player, und es bleibt die Erkenntnis, daß Samael, nunmehr fünf Jahre nach ihrer letzten regulären Veröffentlichung, es wieder einmal geschafft haben... Immer noch können die mittlerweile zum Quartett gewachsenen Schweizer intensive, originelle Songs schreiben, die in der düsteren Metal-Szene ihresgleichen suchen, und so ist "Reign Of Light" ein beeindruckendes, vor Spielfreude und guten Ideen nur so sprühendes Album geworden. Anno 2004 spielen Samael mit massiven Einflüssen orientalischer Musik (für die nicht zuletzt die Sitar-Einlagen von Ex-Waltari-Gitarrist Sami Yli-Sirniö sorgen und die auch in Song-Titeln wie "oriental dawn" oder "heliopolis" Niederschlag finden) ebenso wie mit deutlich elektronischeren Passagen als bisher ("inch'allah"), andererseits sind die Songs, was Rhythmus- und Gitarrenarbeit betrifft, entschieden wuchtiger, energischer, druckvoller als auf eigentlich allen Alben seit "Passage". Und über allem thront nach wie vor der dunkle, kraftvolle Gesang von Vorph, teils flüsternd, teils schreiend, teils elektronisch verfremdet, teils hymnische, irgendwie an Sisters Of Mercy erinnernde Refrains intonierend, aber dabei zu jeder Zeit die Stimmung des jeweiligen Songs treffend... Alles in allem ist "Reign Of Light" ein beeindruckendes, inspiriertes Album geworden, mit welchem Samael sowohl den düsteren Metal als auch sich selbst ein weiteres Mal neu interpretieren, neu erfinden. Wer sich selbst davon überzeugen will, dem seien der hymnische Opener "moongate", das druckvolle "reign of light", "heliopolis" oder das mächtige "door of celestial dawn" als Hörproben empfohlen. Ich bin gespannt, wie die Tour zu diesem Album aussehen wird...