Rome“ schicken uns kurz nach ihrem Vorboten „To Die Amongst Strangers“ jetzt Blumen aus dem Exil. Das nunmehr fünfte Album der Apokalyptic-Folker beschäftigt sich – wie der Albumtitel „Flowers from Exile“ schon vermuten lässt – mit kritischer Thematik, nämlich dem Leben im Exil, von Heimweh, Leere, Vereinsamung, Abschied und überraschenden Hoffnungsankern. 

Jerome Reuter und Patrick Damiani dedizieren uns ein sehr persönliches Album, welches unter die Haut und tief ins Innere geht. Es reißt einem vom ersten Ton an in seinen Bann und lädt dazu ein, gemeinsam die Schwere, die Ängste und die Hoffnungsschöpfung in den Zeiten des Spanischen Bürgerkrieges, Revue passieren zu lassen. Gleich zu Beginn möchte ich betonen, dass „Rome“ mit „Flowers from Exile“ das Höchstmaß ihrer Reifung erreicht haben. Den beiden Protagonisten ist es gelungen eine Art musikalisches Geschichtswerk zu komponieren. Poesie, Harmonie und Klangvolumen gehen Hand in Hand, bescheren uns mit eiskalten Rückenschauern und laden zu vielen tiefsinnigen Denkprozessen ein. „Flowers from Exile“ ist im Cover in vier Kapitel eingeteilt: „Reiseherrschaft“, „Besitzbegrenzung“, „Ruheverbot“ und „Verzicht“. Vielleicht stoße ich mit meiner folgenden Erörterung nun auf Widerspruch, jedoch möchte ich versuchen „Flowers from Exile“ in drei teilen zu aufzuzeigen. Teil 1 lässt sich gut mit dem Übertitel „Expatriation“ umschreiben und umfasst das Intro „To A Generation Of Destroyers“ sowie die Tracks „The Accidents Of Gesture“, „Odessa“ und „The Secret Son Of Europe“. Musikalisch eingeleitet wird dieses Kapitel mit Klängen aus der Violine, Meeresrauschen und spanischen Versen. „The Accidents Of Gesture“ ist anfangs sehr ruhig gehalten und steigert sich zunehmend an Intensität. Jeromes Stimme drückt Wut, Angst sowie Trauer aus und die erste Gänsehaut sucht einen heim. („Wir haben unsere Welt verloren, was übrig bleibt schleppen wir jetzt in Koffern durch halb Europa. An alle Welt uns ausgeschenkt! Vom Leben unbesiegt, was uns eint ist der Verzicht!“) 

Mit „Odessa“ ist vermutlich die „Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen“ in Spanien unter der Führung von Otto Skorzeny gemeint. Daraus schließe ich, dass sich „Odessa“ an jene Organisation richtet und an dieser Kritik, Verachtung, Missachtung ausübt. Bei diesem Stück stehen Trauer und Unverständnis im Vordergrund. Untermalt durch Akustikgitarre sowie einem Duett zwischen Jerome Reuter und einem Gastsänger, macht sich die nächste Gänsehaut bemerkbar. Spanischem Flamenco gleich und im Tempo angehoben flutet „The Secret Sons Of Europe“ durch die Boxen. Dieser Song birgt etwas Geheimnisvolles in sich und beim Lauschen des Textes ist man den Tränen nahe. Ein Song voller Emotionalität, Bestürzung und Nachdruck. Teil 2 bekommt von mir den Übertitel „Verzicht und Hoffnung“. Eingeleitet wird dieser mit dem Zwischenstück „The Hollow Self“, welches aus einer schon fast mysteriösen Geräuschekulisse besteht. Das Sprachsample („Rückkehr in die Fremde zum Abend der Zeit. Fern dem Zorn der Städte. Wir wollen das Wort nicht brechen. Auch jetzt nicht. Stehen wir auch dem Herbst zum Raub. Schwerter zu Rost – Herzen zu Staub. Ohne Hass, ohne Fahne. Kein Herzog! Kein Heiland!“) weist schon annähernd auf die Thematik des zweiten Parts hin: Neuanfang, Hoffnung und Würde. Jeromes Stimme und auch der musikalische Mantel harmonieren bei „A Legacy Of Unrest“ mit diesen Stimmungen sehr gut und transportieren diese mit den entsprechend klanglichen Arrangements direkt in Gehör und Mark! Man verspürt eine Art „Aufatmen“ und Reformation („And it feels like spring again. We’ve sealed this feel again...“). 

Die Musik wirkt lockerer und frischer. Dem Hörer werden Hoffnung und Courage vermittelt. „To Die Amongst Strangers“ ist uns bereits bekannt, ist dieser Track erst vor kurzem als EPAuskopplung erschienen. Dieser Titel drückt ebenfalls Mut und Wandlung aus, welche musikalisch im Tempo angehoben und komplexer dargestellt werden. Mit dem Zwischenstück „A Culture Of Fragments“ wird in Teil drei übergangen, welcher von mir den Titel „Freiheit“ erhält. Ähnlich dem Intro vernimmt man hier eine Geräuschekulisse und einen rumänischen Sample. „To Fell In Love With The Sea“ vermittelt die Themen Rückblick, Klage, Kritik aber auch Schöpfen neuer Hoffnung. Das (k)langsame Zusammenspiel von Akustikgitarre, Violine, einer Szenerie aus Nebengeräuschen und Jeromes fast geflüsterter und sehr sachter Stimme unterstreichen diesen Gemütszustand. Noch tiefer unter die Haut geht „Swords To Rust – Hearts To Dust“, handelt es sich hier um Zerwürfnis, gebrochene Herzen und Sehnsucht. Auch hier steht die Verschmelzung von Akustikgitarre, Violine und Jeromes einvernehmlichem Gesang im Mittelpunkt. Die Tiefe des Songs wird von weiblich kummervollen Vocals perfektioniert. Der Titeltrack „Flowers from Exile“ beinhaltet als Hauptthematik Vergeltung und rechnet somit mit der ehemaligen Heimat ab. („All our fears, all our tears, oh no, nevermind, ... the flowers we send to you!“). Man verspürt beim Hören das Gefühl der Erleichterung. Leicht und unbeschwert klingen die Laute aus der Akustikgitarre, welche von zarten Klaviertönen begleitet werden. Die Stimme Jeromes drückt unverkennlich die Stimmung der Müdigkeit der Betroffenen aus und bringt somit all das Geschehene zum Ausdruck, wie mühselig, enttäuschend und schlimm diese Erfahrung für die Leidtragenden gewesen sein muss und mir kullern die Tränen! Sprachlosigkeit und Wut kommen auf und man möchte versuchen zu verstehen, jedoch sind jene vergangenen Ereignisse und Motive unbegreiflich! Das Album findet mit dem schon fast triumphalen „Flight In Formation“ sein Finale und so klingt in meinen Ohren Freiheit, Ruhe und Seelenfrieden! Ich bin begeistert!

„Flowers from Exile“ ist ein Monumentalwerk, in dem Dichtung und Musik verschmelzen und welches seinesgleichen sucht. Es ist mir kein Werk bekannt, welches Stimmung und Emotion so sehr zwischen den Zeilen vermittelt wie dieses! Mit diesem Album haben „Rome“ einen Hafen geschaffen, in welchem sich Leidgenossen, Fans und all diejenigen, die noch zum „Rome“-Fan werden, zugleich gerne flüchten. Vielen Dank für diese Blumen! Und diese Redensart ist hier mal nicht ironisch gemeint! Dieses Album bekommt im CD-Regal einen Sonderposten. Kein Album hat mich bisher mehr berührt, ergriffen und überzeugt wie „Flowers from Exile“. Volle Punktzahl!