Es ist schon seltsam, das Leben als Schreiberling. Da gibt es Veröffentlichungen, zu denen könnte man ganze Romane verfassen, andere wären mit wenigen Attributen hinreichend beschrieben. Zur zweiten Kategorie gehört der aktuelle Release „Winter World“ des amerikanischen Dreigespanns Reliquary. Welche Eigenschaften das sind? Nur Geduld, ein bißchen Spannung muß schließlich sein. Zunächst zur Bandgeschichte, das Trio aus Phoenix/Arizona war 1997 zuerst ein Solo, das des Gitarristen, Programmierers und Songschreibers Loki. Bald jedoch wurde es dem Guten wohl zu einsam, deshalb stieß zunächst Bassistin Suriel und später Sänger Sage zur Band. Im März 2000 verließ Sage die Formation und wurde durch Kara ersetzt, die auf dem vorliegenden Album für die Vocals zuständig ist. Stilistisch lassen sich die Amerikaner irgendwo in der Nähe von Faith And The Muse einordnen und traten bereits in deren Vorprogramm auf, ebenso bei Konzerten von Bella Morte, The Last Dance und The Crüxshadows. Im Sommer 2006 erschien das Debut auf dem amerikanischen Label Final Joy bevor man für Europa Black Rain als Partner gewinnen konnte. Das erste Attribut, das mir zu vorliegender Scheibe einfällt ist - melancholisch. Ruhige Strukturen, dezente Gitarrenarbeit, vereinzelte Keyboardpassagen, nicht zu laute Percussions, dazu Kara's durch ein Musikstudium ausgebildete Stimme, das könnte eigentlich ein wohliges Album zur kalten Winterzeit werden. Doch bereits nach dem ersten Durchlauf gewinnt ein weiteres Merkmal die Oberhand – eintönig. Die Band folgt unmittelbar nach „Prelude“, entnommen aus Leo Delibes' Blumenduett und unterlegt mit nostalgischen Plattenkratzern, einer einzigen musikalischen Grundrichtung, an welcher sie über die gesamte Spielzeit fast schon krampfhaft festhält. So plätschert ein Song nach dem anderen dahin und man wartet vergeblich auf irgendwelche Höhepunkte, Tempiwechsel oder andere Auffälligkeiten. Selbst „Lakme“, das nochmals das Blumenduett aus gleichnamiger Oper aufgreift, wird diesem Einheitssound untergeordnet und fällt dadurch nicht wirklich aus dem Rahmen. Aber ich muß Reliquary ein drittes Attribut zugute kommen lassen – solide. Das Album ist passabel produziert, die Arbeit an den Instrumenten ordentlich und das Zusammenspiel von Gesang und Begleitung durchaus gefällig, wenngleich die Sängerin trotz ihrer geschulten Stimme an manchen Stellen etwas schwächelt. Alles in allem läßt sich „Winter World“ mit einem einzigen Adjektiv charakterisieren – durchschnittlich. Um good old Europe im Sturm zu erobern, reicht die Leistung bei weitem nicht aus, aber da gibt’s doch noch was – Entwicklungspotential. Das spreche ich Reliquary nicht ab und - der nächste Longplayer ist ja schon am Entstehen.