Rammstein und ihr unbetiteltes Album von 2019 – da hat uns die Band nach langer Wartezeit ein musikalisches Paket geschnürt, das, wie ein guter Film, zum Schmunzeln, Staunen und gelegentlich auch Stirnrunzeln einlädt. Schon der schlichte Name, oder besser gesagt, das Fehlen eines Namens, signalisiert: Hier gibt’s wieder kompromisslosen Rammstein von und mit Till Lindemann, aber eben nicht ganz ohne Überraschungen. Nach einigen Durchläufen lässt sich für mich sagen: Die CD ist handwerklich gelungen, hier und da fühlt es sich wie das „alte“ Rammstein an – doch auch, dass ein bisschen mehr Härte und weniger Elektro nicht geschadet hätten. Und zu den plakativen, ultrakurzen Songtiteln lässt sich sagen: Die Kunst der subtilen Wortwahl wird hier sicher nicht auf die Spitze getrieben. Aber hey, wer braucht Subtilität, wenn man Rammstein hat?
In Sachen Highlights wird besonders „Deutschland“ ein dickes, fettes Ausrufezeichen verdient. Als Vorab-Single hat uns dieser Song bereits mit auf eine Reise durch die innerdeutschen Konflikte genommen, und er packt auch nach mehrfachen Durchläufen immer noch. Da ist wirklich alles dabei: historische Wucht, provokante Zeilen und ein Video, das Rammstein-typisch die Kontroverse auf die Spitze treibt. Auch „Puppe“ hat es mir besonders angetan – hysterisch, aggressiv, düster und mit einem Hauch Wahnsinn versehen. Und „Zeig Dich“? Ja, bis auf den leicht sakralen Anstrich zu Beginn (bei dem man kurz geneigt ist, „Heiliger Rammstein“ zu murmeln), ein wuchtiger Track, der inhaltlich und musikalisch überzeugt.
Einige Songs haben es zwar nicht in die Ruhmeshalle geschafft, sind aber dennoch „ganz OK“. „Radio“ bringt den typischen Rammstein-Sound mit, doch es schleicht sich auch ein Hauch Kraftwerk ein, was dem Ganzen eine fast „gedudelige“ Note gibt. Gut gemacht, aber etwas mehr Biss wäre schön gewesen. „Was ich liebe“ behandelt Depression auf eine durchaus interessante Weise, doch die ständige Wiederholung lässt den Song etwas zäh erscheinen. „Tattoo“ liefert Rammstein pur, der Text könnte aber einen Funken mehr Aussage vertragen. „Hallomann“ schließlich ist nett anzuhören, wirkt jedoch eher wie eine Collage älterer Songs – quasi eine Rammstein-Best-of in einem einzigen Track.
Leider gibt’s auch ein paar Ausreißer, die selbst eingefleischte Fans wohl nur schwer verteidigen können. „Diamant“ – eine Ballade, die irgendwie auf der Couch eingeschlafen zu sein scheint. Statt der Tiefe und Intensität von früheren Rammstein-Balladen wie „Ohne Dich“ oder „Roter Sand“ liefert „Diamant“ eher seichte Kost ohne rechte Pointe. Auch „Ausländer“ klingt wie die Provokation um der Provokation willen. Da brüllt Lindemann den Songtitel ein ums andere Mal – mit begrenztem Effekt. Und dann ist da noch „Sex“, der das Thema zwar aufgreift, aber den schmalen Grat zwischen provokativ und plump leider nicht ganz hält.
Abschließend lässt sich sagen: Rammstein haben sich auch diesmal nicht lumpen lassen. Das Album mag an einigen Stellen das „Rrrrr“ vermissen lassen, das Rammstein so besonders macht – aber seien wir ehrlich: Einen schlechteren Tag hatte die Band nie. Die Mischung aus Härte, Provokation und handwerklicher Präzision macht Untitled dennoch zu einem Album, das sich lohnt, immer wieder aufzulegen. Und wenn nicht alle Songs den Nagel auf den Kopf treffen, so doch genug, um auch die nächsten Wochen immer wieder mal zu „Puppe“ oder „Deutschland“ zu greifen.