Wer sich nur oberflächlich mit Rammstein beschäftigt, wird überrascht sein, wenn er die Maxi umdreht. Im Tracklisting finden sich Mitwirkende wie das Filmorchester Babelsberg, Mina Harker und die Silbermann-Orgel der St.-Petri-Kirche in Freiberg. Etwas besser ins Klischee des "Jawohl-Sprechgesangs" passt da natürlich die Gruppe Laibach, die im Duett mit der oben genannten Sängerin zum Remix antreten darf. Da wird man doch neugierig, ob das gelungen ist, denn außer der geografischen Nähe zu den Karpaten haben die beiden Projekte nicht viel gemeinsam.
Wahre Fans der Berufsprovokateure aus Ost-Berlin wissen natürlich, dass die Band auch ruhige Balladen im Programm hat. Davon gibt es zwar nicht allzu viele, umso erfreulicher ist es, dass alle Beteiligten der Versuchung widerstanden haben, die CD mit Belanglosigkeiten oder unpassendem Liedgut zu füllen.
Ein sehr gefühlvolles, trauriges und romantisches Werk über Einsamkeit und Sehnsucht ist den sechs Herren aus Berlin aus der Feder geflossen. Dabei wird weniger die eindimensionale Sehnsucht im Sinne von Besitzergreifen und Gier thematisiert, sondern vielmehr Wert auf eine differenzierte und dualistische Darstellung des Themas gelegt. Wer jedoch den Tiefgang einer Winterreise von Schubert erwartet, wird enttäuscht sein. Der Klassiker bleibt trotz der Bemühungen aller illustren Künstler unerreicht. Zwar klingt der Remix von Under Byen mit seiner Klavieruntermalung ein wenig nach Schubert, doch die Integration des Tasteninstruments wirkt leider nicht besonders harmonisch. Das Gleiche gilt für die Orgel im "Sacred Mix". Beide Elemente scheinen künstlich hinzugefügt, als würde man beim Weihnachtsstollen das Mehl herausschmecken, weil es nicht fachgerecht untergerührt wurde. Die beiden Lieder wären wohl besser in der Mottenkiste geblieben, dorthin, wo man sie zuletzt und endgültig sehen möchte. Hier scheiterte eine eigentlich gute Idee an der mangelhaften Umsetzung.
Eine gelungenere Neuinterpretation ist Christopher von Deylen, besser bekannt unter seinem Künstlernamen "Schiller", geglückt. Mit einem neuen Stimmungsbogen, völlig neuem Rhythmus und ein paar netten Effekten zeigt er, wie ein Remix aussehen sollte. Dass das Endergebnis mehr nach Schiller als nach Rammstein klingt, tut dem Stück jedoch keinen Abbruch.
Bei Laibach dürfte sich ein ähnliches Resultat wohl kaum einstellen, da man dem Quartett aus Slowenien einen massiven Einfluss auf den Gesang von Frontmann Till Lindemann nachsagt. Auch die Logos der beiden Bands sind sich so ähnlich, dass hier kaum an Zufall zu glauben ist. Es wurde also höchste Zeit, dass beide sich künstlerisch begegnen. Damit das Ganze nicht zu monoton wird, hat das slowenische Künstlerkollektiv Mina Harker mit ins Boot geholt. Eine gute Idee, denn die Gesangsstimme der Künstlerin mit dem Vampirnamen sorgt für wohlige Schauer.
In diesem Remix wird der recht einfache, aber zum Thema passende Aufbau des Originals aufgelockert und abwechslungsreicher gestaltet, ohne die Seele des Liedes zu verletzen. Der feine Akzent der Sängerin bildet dabei einen interessanten Kontrast zur martialischen Stimme von Milan Fras. Weh mir, oh weh – und wie soll ich das bewerten? Auch wenn man ohne diese Veröffentlichung leben könnte, ist die "Mina Harker's Version" so gut gelungen, dass man über die diversen Unstimmigkeiten hinwegsehen kann. Da jedoch der letzte Hauch Genialität fehlt, halte ich 4,5 Sterne für angemessen.