Zur Zeit füllt sich mein Schrank irgendwie mit optischen Gurken: Nicht anders kann ich mein Empfinden beim Betrachten von ‚Hotel Suicide‘ beschreiben – doch wie so oft darf man nichts auf Äußerlichkeiten geben, nur dieses Mal eben im positivsten Sinne. Denn hinter dem trashig hässlichen Cover versteckt sich das in meinen Ohren bisher stärkste Werk der deutsch-mexikanischen Freundschaft Rabia Sorda. Für die Unkundigen darf zur Erklärung der Name Erk Aicrag nicht fehlen. Ebenjener, der bereits seit Jahr und Tag für Hocico ins Mikro schreit und seit immerhin 10 Jahren eben auch unter dem Firmennamen Rabia Sorda. Was klein und verspielt begann hat sich nun zu einem Projekt entwickelt, das das Hauptprojekt zumindest mit ‚Hotel Suicide‘ überholt hat. Denn Rabia Sorda haben einen ganz eigenen Sound, hohen Wiedererkennungswert und eine Spielfreude, wie man sie sich nur wünschen kann. Die vorliegende Doppel-Deluxe-Scheibe bietet (mit den beiden Bonustracks auf CD 2) insgesamt 14 neue Songs, 5 Remixe und 6 Livetracks – auf geht’s. Der rote Faden ist in allen Songs Eriks typischer Gesang und eine ganz eigene Form von musikalischem Empowerment – elektronische oder rockige Härte wirkt hier nicht brutal oder aufgesetzt, sondern kraftspendend. Der Stilmix macht dann aber die wahre Freude aus: Harte Beats, verspielte 80er Elektronik und treibende Gitarrenriffs greifen schlüssig ineinander. Industrielle Härte und pathetische Klassik bei „Indestructible“, Punkrockenergie in „Turbulence“, „Deaf“ oder „Somewhere along the road“ und New Wave bei „Abwesend“, „Noviembre arde“ und „Morbid Circus“. Mit „Dibujando el veneno“ kommen sogar Erinnerungen an Hocico auf, die des Öfteren mit Instrumentalstücken etwas Atmosphäre auf ihre Alben zauberten. Eine Ballade wie „Marionette“ hat man zwar schon 100 mal gehört, heißt aber nicht, dass Rabia Sorda sie schlecht umsetzen und im Albumkontext kommt sie sehr nett. Gurken bleiben bei der Masse an Liedgut nicht aus: Der kraftlose Titeltrack, die enttäuschende Vorabsingle „Eye am the blacksheep“ und das an Godsmack erinnernde „Abuse me“ trüben die Euphorie ein wenig. Denoch: viel leckeres Futter für Freunde des wavig-industriell-rockigen Cossovers (der zweite Link führt zum offiziellen Video von "Deaf" - ich hätte mir eher "Abwesend" oder "Turbulence" als Single gewünscht, "Deaf" ist aber auch gut). Ein paar wenige Zeilen zum sonstigen Bonus auf der 'Room 13' genannten CD 2: „Two bullets“ ist eine eher unaufregende Egal-Nummer. Die Remixe verhageln mir den Spaß eher, als ihn zu fördern – ausgenommen ist die überraschend vielschichtige und gelungenen „Indestructible“-Version von Ost+Front, bei der man sich erstmal reinhören muss ob der eigenwilligen Melodieführung. Die 6 Livemitschitte „Live in Leipzig 2012“ scheitern an einem mies produzierten Sound. Ich habe noch die tolle Qualität von Blutengels „Once in a lifetime“ im Kopf…. meilenweit auseinander im Vergleich. Alle Fans müssen kaufen, alle Interessierten müssen reinhören, alle Skeptiker sollten lauschen – ‚Hotel Suicide‘ kann viel Freude ins Haus bringen und man sollte die Band nicht in die Elektro-Industrial Ecke schieben: die Punkrock-Attitüde überwiegt dafür zu deutlich. Ob die Deluxe-Version notwendig ist? Für mich brachte sie nur einen schönen Bonustrack und den gelungenen Ost+Front Remix, für andere ist da vielleicht mehr dabei.