Qual - Love Zone

Qual - Love Zone

Man kann ‘Qual’ vieles vorwerfen – Berechenbarkeit gehört ganz sicher nicht dazu. ‘Love Zone’, schon erschienen am 28. November 2025, ist ein Album, das gar nicht nett sein will, nicht wirklich gefallen möchte und schon gar keine Einladung zum entspannten Szene-Abend darstellt. ‘William Maybelline’, den viele vermutlich immer noch primär als Teil von ‘Lebanon Hanover’ wahrnehmen, nutzt hier sein Solo-Projekt erneut als bewusste Reibungsfläche. Wer hier romantischen Darkwave erwartet oder hofft, ein paar hübsch verpackte Retro-Momente mitzunehmen, wird schnell und ziemlich unsanft zurück auf den Betonboden der Realität gesetzt.

‘Love Zone’ klingt nämlich eher so, als hätte jemand die letzten zehn Jahre digitaler Überforderung, Dauer-Online-Sein und chemisch erzeugter Glücksversprechen in Maschinen gegossen – und diese Maschinen anschließend ohne Sicherheitsabstand auf uns losgelassen. Das Album empfinde ich als hart, kalt und stellenweise bewusst unangenehm. Die Beats drücken stoisch nach vorne, ohne Rücksicht auf Hörgewohnheiten, während die Synthesizer nicht um Aufmerksamkeit buhlen, sondern sie erzwingen. Hier gibt es keine schmeichelnden Melodien, sondern monotone Strukturen, die sich festsetzen wie ein Gedanke, den man nicht mehr loswird.

Besonders polarisierend ist die Entscheidung, ‘Love Zone’ konsequent mit Hardware zu produzieren. Das bedeutet ganz konkret: Die Klänge dieses Albums stammen nicht aus Software-Plugins oder virtuellen Instrumenten, sondern aus realen Synthesizern, Drumcomputern und Sequencern – gesteuert über Regler, Taster und Kabel statt Maus und Bildschirm. Diese Arbeitsweise ist kein nostalgischer Analog-Fetisch, sondern ein bewusstes ästhetisches Statement. Hardware ist unberechenbar, sie driftet, reagiert auf kleinste Veränderungen und verzeiht keine endlosen Korrekturschleifen. Genau daraus entsteht die hörbare Reibung dieses Albums: kleine Unsauberkeiten, lebendige Schwankungen und ein Klangmaterial, das sich nicht brav einrasten lässt. Nichts wirkt klinisch oder glattpoliert – im Gegenteil: Der Sound ist roh, manchmal sperrig, fast widerständig. Wer moderne elektronische Produktionen gewohnt ist, die bis auf die letzte Frequenz „optimiert“ und perfektioniert sind, könnte das als Zumutung empfinden. Für mich liegt genau hier die Stärke von ‘Love Zone’: Endlich ein Album, das nicht vorgibt, Perfektion sei automatisch ein Qualitätsmerkmal, sondern Charakter über Komfort stellt.

Stilistisch ist ‘Love Zone’ bewusst unentschlossen – und genau darin liegt sein Reiz. EBM, Industrial, Minimal Synth, Darkwave und technoide Strukturen werden nicht sauber voneinander getrennt, sondern ineinander verkeilt. Das Album fühlt sich weniger wie eine Sammlung funktionaler Club-Tracks an, sondern wie ein geschlossenes Konzept, das sich langsam entfaltet und den Hörer in eine düstere Parallelwelt zieht. Erotik erscheint hier nicht als Verheißung, sondern als etwas Mechanisches, Abgegriffenes, beinahe Unheimliches. Das ist provokant, manchmal sogar unangenehm – aber selten langweilig. Der Gesang bleibt dabei bewusst distanziert, fast rituell. Maybelline klingt weniger wie ein klassischer Sänger, mehr wie ein Beobachter, der seine Botschaften mit kalkulierter Kälte ins Klangbild setzt. Ironie und Ernst liegen dabei so nah beieinander, dass man nie ganz sicher ist, ob man gerade Teil eines düsteren Kommentars oder einer bewusst überspitzten Inszenierung ist. Diese Ambivalenz wird viele Hörer irritieren – mich hat sie eher angezogen.

‘Love Zone’ ist ein Album, das vermutlich spaltet – und das will es denke ich auch. Es ist nichts für Nostalgiker, nichts für Nebenbei-Hörer und schon gar nichts für all jene, die elektronische Musik primär als gefällige Hintergrundkulisse verstehen. Wer jedoch bereit ist, sich auf eine kalte, körperliche und kompromisslose Klangwelt einzulassen, bekommt hier eines der eigenständigsten Statements im aktuellen Dark-Electronic-Umfeld. Ich halte ‘Love Zone’ für ein bewusst unkomfortables Album, das genau dort interessant wird, wo andere Produktionen glattziehen und absichern. Man muss es nicht lieben – aber man sollte es ernst nehmen. Und allein dafür hat es seine Existenzberechtigung mehr als verdient.

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