Wenn Peter Spilles Texte schreibt, sind diese weit von handelsüblicher Gebrauchslyrik und Kalenderromantik entfernt. Als Project Pitchfork wandelt der gebürtige Hamburger auf philosophischen Pfaden und macht die Hörerschaft nicht einfach zum Konsument seiner Kunst, sondern zum aktiven Rezipienten, der seine Texte, die nicht absolute Wahrheiten in sich tragen, als Denkanstoß verstehen soll. Mit den beiden 2018er Alben "Akkretion" und "Fragment" hat der Musiker ein Gedankenkonstrukt aufgebaut, das er nun mit "Elysium" abschließt.

Dieses Triptychon beschäftigt sich dabei mit nichts Geringerem als dem Werden und Vergehen, welches Spilles gleich in einen interstellaren Zusammenhang setzt. Mit "Elysium" greift er auf eine Thematik, deren Diskursgeschichte schon so alt wie die Menschheit selbst ist: Was bedeutet Glück? Um dieser Frage näherzukommen, nutzt er einen antiken Rahmen, den er mit modernen Sujets füllt. "Elysium" ist nach griechischer Überlieferung die "Insel der Seligen"; besonders heldenhafte Menschen finden hier ihre letzte Ruhe und werden von den Göttern mit Unsterblichkeit beschenkt.

So beginnt und endet das Album mit einem Meeresrauschen; und auch zwischen den einzelnen Stücken hören wir es immer wieder plätschern. Schnell begreifen wir: Project Pitchfork begibt sich selbst auf eine Reise über den Ozean des Lebens, auf der Suche nach der absoluten Glückseligkeit. Die Songs allerdings bilden die Untiefen und Hindernisse, die auf dem Weg lauern und überwunden werden müssen.

Sicherlich wäre "Elysium" ein anderes Album geworden, wäre es noch vor Beginn der neuen Dekade erschienen. Doch zuerst kam die Corona-Pandemie, welche das Leben und vor allem Kunst und Kultur in die Knie zwang. Zudem musste sich der Mastermind einer komplizierten Operation unterziehen, die ihn längere Zeit außer Gefecht gesetzt hat. 2021 hat Peter sich dann auch noch von seinem langjährigem "partner in crime" Dirk Scheuber getrennt und betreibt nun Project Pitchfork allein. Das alles sind Faktoren, die Einfluss auf das neue Werk und seiner Stimmung hatte.

Besonders "Melancholia" und "Memories" zeigen einen gereiften, sehr nachdenklichen Peter Spilles, dem bewusst ist, wie vergänglich die Schönheit des Lebens ist und dass man sich dessen gar nicht oft genug bewusst machen kann. Carpe diem! Carpe diem! Carpe diem!

Vielleicht beschreibt gerade deswegen ein Stück wie "Tanz" eben genau dieser Ekstase, dieses Auskosten des Moments. In verschlepptem Rhythmus und archaischem Synthiespiel lässt er den Song wie ein Ritual erscheinen. Die Vorabauskopplung ist sicherlich eine der stärksten Nummern auf diesem Album, bei dem auch aktuelle gesellschaftspolitische Themen so offensichtlich wie selten zuvor vom Musiker verhandelt werden. Wenn Peter von einem Sommerspaziergang im Winter singt ("Summer Walk") ist das eine klare Anspielung auf den Klimawandel, "Axiom"  dagegen zeigt sich unmissverständlich direkt. "Wir sind die Erde!", schallt es aus hunderte Kehlen und unter tranceartigen Beats. Ein klares Statement, dass wir uns nicht der Erde Untertan machen können, weil wir Teil von ihr sind. Und es benötigt nicht viel Aufwand von Mutter Erde, um sich von uns zu entledigen.

Zusammen mit "Isolation" liefern Project Pitchfork zwei offensichtliche Kommentare zu unserer momentanen Lage der Nation. Auch wenn die Sounds fordernd sind und die Atmosphäre durchaus etwas Bedrohliches besitzt, ist das Album keine ins Korn geworfene Flinte. Die Welt steht in Flammen, aber es ist nie zu spät, einen Baum zu pflanzen, so lautet eine Zeile aus "Summer Walk". Aufgeben ist also nach Project Pitchfork keine Option. Schließlich dauert der Weg zum "Elysium" noch ein bisschen. Ob Project Pitchfork am Ende des Albums die Insel tatsächlich gefunden haben, bleibt allerdings offen. Ein ausgeblendetes Meeresrauschen lässt jedoch vermuten, dass das Ziel dieser Reise noch nicht erreicht wurde.