Polarkreis 18 sind nicht mehr allein, sondern frei, so heißt zumindest das neue Album, das in nur fünfunddreißig Minuten zehn neue Songs präsentiert. Über Monate lief auf der Webpage die Sanduhr und zeigte wie weit die Elektropopper aus Dresden mit dem dritten Werk waren. Schwarz-Weiss und winterlich ist die Ausrichtung des Gesamtkunstwerkes und schwarz-weiss wird auch die Einschätzung zum neuen Album sein. Polarkreis 18 werden spalten was das Zeug hält.
Auch wenn mich die Live-Tracks auf der ‚Happy Go Lucky’ Single eher gesangstechnisch erschreckten, das zweite Album lieferte vor zwei Jahren selbstbewusst Songs, die die Welt besser machen. Zwar pendelt der Kopfgesang von Felix Räuber immer zwischen ‚wie macht der das nur’ und ‚da ist ihm wohl jemand auf die Füße getreten’, wo’s dann schließlich klappt, verleiht gerade dies den Songs jedoch ihren charakteristischen Ausdruck. Diesmal funktioniert das leider nur selten, denn bspw. bei ‚Deine Liebe’ klingt das eher nach Schmerzen als nach musikalischer Größe: zu überdreht und schrill hört sich der Refrain an, während die Strophen doch eigentlich überzeugend rüberkommen. Gleiches gilt für ‚Evergreen’ oder den Titelsong ‚Frei’, bei dem das Schlüsselwort spätestens nach dem fünften intonieren gequält klingt.
Anders die Single ‚Unendliche Sinfonie’, die mit weißrussischer Folkloreuntermalung und bewährten Pop-Zutaten den Anschluss an die Singles des letzten Albums findet. Für den notwendigen Pomp oder Streicher-induzierte Geschmeidigkeit, je nachdem welchen Song man betrachtet, sorgt Sven Helbig, der u. a. bekannt ist für die Produktion von ‚Battleship Potemkin’ mit den Pet Shop Boys oder auch für die Orchester-Arrangements auf Rammsteins letzten Longplayer. Die Indie-Ansätze des ersten Albums sind vollständig verschwunden, die Produktion fokussiert sich auf Retorten-Pop mit der Extraportion Flow. Und so kommt man bei Songs wie ‚All That I Love’ oder ‚Small Space Between’ ins vorweihnachtliche Schmachten und sieht plötzlich wo Polarkreis 18 momentan ihre relativen Stärken vom Gesamteindruck der Songs haben.
Für die nächste Single prädestiniert ist ‚Sleep Rocket’, das schließlich gänzlich ohne die hohen Töne zum schneeweißen, authentischen Darling von ‚Frei’ wird und die Gesamtwertung vor dem kleinen Absturz ins untere Mittelfeld rettet. Zwar sind Kompositionen und die Instrumentierung gerade von Songs wie ‚Dark and Grey’ oder ‚All That Love’ kleine Wunder, auf der anderen Seite orgelt bspw. ‚Deine Liebe’ straight in den Kitsch. Die Kombination mit dem vordergründig abgemischten Gesang muss jedes mal regelrecht verdaut werden und macht dem Hörer die Freude vollständig zur Nichte. Das geht besser, weniger wäre diesmal auf jeden Fall mehr gewesen. Jungs macht euch frei vom Erfolgsdruck und schaltet einen Gang zurück…