Es sind schon eigenwillige Zeiten, das Jahr ist noch jung und die meisten sitzen nun recht oft daheim (wenn es der Job und die Vernunft zulassen) und harren der Dinge, die da kommen mögen. Ich wünsche uns allen, dass wir heil durch diese Zeit kommen.

Und in solchen Zeiten suchen viele Menschen ihr Heil in Spiritualität, um Verantwortung abgeben und Halt finden zu können und im Traditionellen, denn ein seit Generationen fest stehender Rahmen kann auch Sicherheit spenden. Die Perchta, heidnische Göttin aus den Alpen, die mal in bezaubernder Gestalt, mal als altes Weib für den Übergang steht, die erschafft und zerstört, unterstützt und bestraft, zieht nun von Tirol aus mit Unterstützung von Prophecy Productions los, um ein eigenwilliges, schwer zugängliches und definitv nicht deutlich zu greifendes Debütalbum auf die Welt loszulassen. Das Projekt, über das ich nicht wirklich viele Informationen gefunden habe, und von dem ich nicht einmal sicher sagen kann, ob es aus mehr Musikern als der Perchta selbst besteht (ich finde nur Bilder einer Dame, die Motive wie eine Mischung aus schwarzmetallischen Okkultsessions und einem Shooting mit Sopor Aeternus, alles sehr effektiv, mir aber irgendwie noch zu sauber), schuf 40 Minuten, die zwischen zwei Welten pendeln: folklorisch finstere Folkkunst, die mal wie die mystischen Songs aus dem Sturmpercht Katalog wirken, dann aber wieder an Horroszenarien erinnern, wie sie Elli Riel hervorbringt. Es wird eher erzählt als gesungen, es wird eher etwas "geklimpert" als Melodien zu intonieren. Die vier Hauptsongs, benannt nach den Elementen, sind dann recht rauer Dark Metal (?), räudig, wild, mal mit doomigen Einschlag. Die Perchta hat eine wunderbare Stimme, die sie aber meist für wildes Schreien, Kreischen oder Brüllen opfert. Man will vor den Kopf stoßen, klingt absichtlich schief, etwas dramatisch und wenig schmeichelnd. Elemente aus klassichem Metal, Folk Metal und ein wenig Black Metal wechseln sich ab und ja, bei "Wåssa" gefällt mir die Perchta durchaus, "Erdn", "Åtem" und "Gluat" beeindrucken mich weitaus weniger und können auch bei wiederholtem Hören nicht überzeugen. Das liegt weniger an den Vocals, die in stimmigerer musikalischen Szenerie besser funktionieren würden - nein, mir gelingt es nicht, dieses Geschrammel mit düsteren Erzählungen von oder über eine Gottheit in Verbindung zu bringen.

In den folkig-düsteren Momenten gefällt mir die Perchta ausgesprochen. Ich würde mir gerne mehr anhören von ihen Erzählungen und auch die ruhigen Parts der eigentlichen Lieder zeigen, dass die Musiker (oder nur die Musikerin?) hinter dem Projekt ihr Handwerk verstehen. Die Metal Parts sind mir aber einfach zu räudig, zu stumpf. Sie platzen in die Mystik, in die Märchenwelt aber wirken nicht wie die ausrastende, die wütende Perchta, sondern wie ein Fremdkörper. Im Begleitschreiben wird auf beeindruckendes Treiben auf der Bühne hingewiesen und vielleicht kann ich bei einer Begegnung mit der Perchta auch die Metalparts besser in mein Erleben intregrieren. Zu diesem Zeitpunkt aber fallen mir einige Bands ein, die Mystik und Wut auch im alpinen Raum besser zusammenführen. Sturmpercht/Rauhnacht unter anderem auf 'Zur ew'gen Ruh', das Abschiedsalbum von Lunar Aurora 'Hoagascht', relativ aktuell Vista mit 'Drei Deita' um nur drei mehr als empehlenswerte Alben zu nennen. Wer gerne räudig-herausfordernden Dark Metal am Stück haben möchte, der findet bereits bei Prophecy mit Bethlehem wahre Meister des Anziehens/Abstoßens. Percha ist auf 'Ufång' aber nur wirklich stark in den Momenten, in denen sie Metal Metal sein lassen und bezaubernde, leicht verstörenden Erzählungen vertonen, und diese mit Klangspielen und Perkussions untermalen. Als Debüt ist 'Ufång' in Ordnung mit viel Raum zur Weiterentwicklung.

 

Perchta

Ufång

 

10.04.2020

Prophecy Productions

 

www.perchta.tirol

 

01. Intro
02. Erdn
03. Långs
04. Åtem
05. Summa
06. Gluat
07. Herest
08. Wåssa
09. Winta
10. Outro