Paysage d’hivers ist Kennern und Zielgruppe der Band seit über zwei Jahrzehnten ein fester Begriff, wenn es um qualitativ hochwertigen Atmospheric Black Metal mit zahlreichen Ambientanteilen geht. Und die Veröffentlichungspolitik ist so beeindruckend wie seltsam: Erschienen in den ersten drei Jahren sieben der insgesamt zehn Demos (die eigentlich vollwertige Alben sind, wenn wir ehrlich sein wollen), so ging Mastermind Wintherr in den folgenden Jahren etwas bedächtiger vor. Dann, nach über zwanzig Jahren das erste offizielle Album: ‚Im Wald‘ gefiel mir im letzten Jahr stellenweise, aber ich bleibe dabei, dass ältere Veröffentlichungen mich schneller und intensiver in ihren Bann zogen.

Und nun, bereits ein Jahr später, setzt Wintherr die Geschichte des Wanderers, der seit dem ersten Demo einem losen, roten Faden durch das metallisch-meditative Rauschen folgt, fort. Die ‚Geister‘ aus einer anderen Dimension, denen er in elf Liedern begegnet sind eigentlich Wesen unserer Welt, der Kontakt findet über alte Riten statt, die im alpinen Raum zelebriert wurden. Das Resultat dieser Kontaktaufnahme ist ein überraschend straffes, schnörkelloses Album geworden – quasi das Gegenstück zum vorjährigen ‚Im Wald‘: Durchschnittlich unter sieben Minuten, kaum Ambient, kaum Keyboardeinsatz sondern nach vorne geholzte Atmosphäre, drückend und extrem monoton. Ich gestehe, dass die ‚Geister‘ mich nicht wirklich fesseln – noch weniger als ‚Im Wald‘. Der Sound ist noch weniger zu unterscheiden von anderen Projekten, als bisher, Wintherr kennt das Medium, vernachlässigt in meinen Ohren aber das Besondere, das frühere Demos zu kleinen Juwelen eiskalter Stimmung machte. Über 70 Minuten nach vorne geballerte Räudigkeit, Blastbeats, in die Unendlichkeit schweifende Riffs, verhallter Tunnelsound, bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Screams und das ständige Gefühl zermürbender Bedrohung – ein neuer Song ist nur an der Pause zwischen den Titeln ernsthaft wahrzunehmen und irgendwann bin ich es leid. Ja, es ist gut gemachter Atmospheric Black Metal, aber ich erkenne wenig Herz, wenig Leidenschaft in den Klängen.

Ich hoffe nicht, dass ein jährlicher Veröffentlichungszyklus beginnt, wenn er so wenig zum Werk der Band beiträgt. ‚Geister‘ ist nur dann ein gutes Album, wenn man die letzten 20 Jahre verpasste, und ich hätte mir gerade bei dem Thema mehr Raum für Ambient, mehr Raum für vertonte Rituale und etwas weniger gleichförmiges Dauergeballer gewünscht. Puristen wird es hingegen sicherlich gefallen – Paysage d’hivers, schnörkellos nach vorne ohne allzu viel atmosphärischen Ballast. Die Ambivalenz der Geschmäcker eben.

 

Paysage d‘hivers

Geister

 

23.04.2021

Kunsthall Records / SPKR

 

https://paysagedhiver.bandcamp.com/album/geister

 

01. Schattä
02. Bluet
03. Wüetig
04. Undä
05. Äschä
06. Wärzä
07. Anders
08. Schtampfä
09. Gruusig
10. Schuurig
11. Geischtr