Nach den großen Gesellenstücken "Laut" und "Werkzeugbuch" und den beiden kleineren "Ostberliner Bauarbeiter" und "Gefahrstoffe" ist es nun eigentlich Zeit für das Meisterstück. Und da sowohl Brigadier Sven Wolff als auch Brigadeleiter Lance Murdock weiterhin große Verehrung für die Baubranche an den Tag legen, geschieht dies in gewohnter Form – musikalisch und wie gehabt – als Electro-Ambient für Turmdrehkranführer mit dem Werk "Hochstapler". Und so, wie es mit dem Bau seit einiger Zeit wieder bergauf geht, scheint auch die Würdigung in bisher nicht geahnte Höhen zu steigen. Denn das, was die beiden Kollegen ihren Verehrten quasi als akustische Stimulans anbieten lässt sich wirklich als ‚Meisterwerk' bezeichnen.
Der zweite – geschichtliche – Themenbereich wird weiterhin gepflegt, zum Einen mit den Bauarbeitern aus dem Ostteil Berlins und zum Zweiten dessen demokratischen Sektor. Für Nicht-Eingeweihte sollte diese Ausdrucksweise keinesfalls abschreckend oder lächerlich wirken, da sich Gedrucktes und Gehörtes meilenweit voneinander unterscheiden (können), solange nicht beides von den jeweiligen Sinnesorganen wahrgenommen und anschließend verglichen wurde. Anhand der Tracklist lässt sich schon erkennen, dass es doch oft wieder sehr technisch zur Sache geht und sich „Hochstapler“ als vorrangig instrumentale Komposition oHral manifestiert. Größere Ausnahmen mit Gesprochenem bzw. größeren Sprach-Sample-Einlagen bilden die "Ostberliner Bauarbeiter (Feat. Sara Noxx)", "Gefahrstoffe", „Doppelmeisterschalter (Feat. Sara Noxx)" und "Demokratischer Sektor". Die Geschwindigkeit ist vorwiegend im höheren Downbeat bzw. Midtempo verfasst, so dass Rhythmusspur und die anderen Kanäle zumeist in einer Symbiose enden, die das gesamte Album nicht in den dunklen Bereich sondern mehr ins Helle abdriften lässt. Das führt dann dazu, dass es sich für jede Hörerspezies mit Affinität zu gediegen rhythmischen Elektronikklängen eignet.
Die Dust Of Basement-Wurzeln lassen sich, wenn auch nur sporadisch erkennbar, nicht verleugnen. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, weswegen sich fast immer irgendwo ein (kleiner) Melodieanteil wieder findet, der die CD umso hörbarer macht. Ein weiteres Faszionsum ergibt sich durch den ‚in-the-Mix’ aller „Hochstapler“-Titel, so dass man ab und zu gar nicht weiß, welcher Song gerade läuft. Das liegt aber keineswegs daran, dass alles gleich klingt, sondern – im Gegenteil – durch die Vielfalt, die manchmal eine direkte Zuordnung vermissen lässt. Vor allem, wenn die kurzen, manchmal in den experimentellen Ambient-Bereich abtriftenden Songs als Zwischenstücke zum Einsatz kommen. Spätestens dann verwebt sich alles zu einem großen Ganzen, einer Klangwelt, die jedes Zeit- und Songgefühl ad absurdum führt. Um nochmals den historischen Bereich aufzugreifen: Die Version der „Ostberliner Bauarbeiter“ ist im Vergleich zur Originalfassung sehr trocken und ‚technisch’ gehalten (eine gute Ergänzung), wohingegen sich „Demokratischer Sektor“ zu dem Albumhöhepunkt mausert.
Es ist einfach unglaublich, welchen Groove der Song so nebenbei entwickelt, obwohl das Hauptaugenmerk doch auf den vielen interessanten Sprachsamples liegt. Einfach genial, wie auch die „Einsatzbesprechung“, die schon einige Samples der CD aufgreift und so einen kurzen Überblick des Nachfolgenden liefert und zudem Lust auf das „Maurerradio“, die „Zusatzfunktion“, das „Fassgehänge“, die „Corioliskraft“ und alle anderen Songs macht. Zusammengefasst lässt sich das vorliegende Werk einfach als absolut hochwertige elektronische, melodisch-rhythmisierte Klanglandschaft beschreiben, die unweigerlich zum Verweilen einlädt, sobald durch die Einsatzbesprechung der Plan für die nächsten knapp 70 Minuten festgelegt wurde.
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