Der exemplarische Geheimtipp des Bauhilfsgewerbe ist als präqualifizierter Lieferant bereits in die deutsch-deutsche Musikgeschichte eingegangen. Man müsste folglich gar nicht mehr viel zu diesem Prunkstück des Plattenbau's, jenem fünften Grundlagenwerk mit seinem neuen Verständnis der Brigadekultur, von sich geben - ein Zitat aus dem Architekturführer Berlin zur hauptstädtischen Postmoderne würde ausreichen: "Statt dogmatischer Strenge populäre Bildhaftigkeit, Stilpluralismus, bisweilen Ironie.". Doch die Welt der Baumaschinen ist polymorph & Patenbrigade: Wolff nur ihre ewigen Chronisten, denen ihre feminine Seite lange nicht bewusst gewesen war...

Frauen bringen völlig neue Perspektiven ein, sie vermitteln Visionen, ziehen Analogien aus dem privaten Umfeld & wer beim Subtitel des Albums - Popmusik für Rohrleger - an üppige Zwischenmenschlichkeit denkt, ist thematisch bei vielen Tracks hier auf der sicheren Seite. Höhepunkte leidenschaftlicher Lebensplanung, welche sich wohltuend von derzeit handelsüblichen abheben, verschmelzen über weite Strecken mit immens musikalisch ausdifferenzierten Momenten größter Harmonie. Diese Tatsache allein sorgte schon im mittelhessischen Outback, bei ersten Live-Demonstrationen, für Gänsehaut & stumme Begeisterung in voller epischer Breite. Ungeachtet dessen bleibt der Sucher ungewöhnlicher Hörerlebnisse nicht unbeachtet. Stil ist das Ziel & so erhielt jeder Track die bekannten Sound-Signatures aus dem Maschinenpark in die scheinbar leichtfüßige Struktur gegossen. Dekonstruktive Architektur statt imaginär postmoderner Ornamente, abwechslungsreiche kollektive Klarheit am Mikrofon mit organischen Zuschlägen im Synthie-Zement statt Samples von verblichenen Vorarbeitern. Die Soundscape-Highlights abhängiger Arbeit, welche im gewohnten Endlos-Mix, mit treibender Rhythmik die Sonderschichten liebgewordener Leih- & Gastarbeiter wie ein Trennmittel an der Verschalung koordinieren, machen diese Fusion von TGL- & DIN-Norm im Bebauungsplan zum konsequenten Nachfolger mit üppigerer künstlerischer Haltung.

Freundschaft, war nicht nur der Name des letzten großen zentralen Jugendobjekts der DDR & die politisch korrekte Grußformel im Rohrleger an der Trasse (mittelhochdeutscher Ausdruck für Pipeline), es ist der Lichtbogenträger welcher Brigadisten & Fans verschweißt. So wie Dr. Mark Benecke, der sich als Bindeglied mit Berichten von den Abgründen des Handwerks für die Erwähnung seiner angestammten Zunft im Track "Mit jedem Sender Informationen" auf der Maurerradio-Single vor zwei Jahren revanchiert. Faktisch brüllt die Dampframme beim "Aufbau" kurz auf, auch hört der alte Feind noch scherzhaft mit... doch dies sind nur kurzlebige Daseinsformen & ein bisschen Geschichtsstunde mit Signal-Wirkung, dann wird es eher subtil. Neben maskulinen Stereotypen, die viel zu verspielt für einen reinen Schwanzvergleich sich in Schlechtwetter-Pausen mit Abenteuern aus Perry Rhodan-Heftchen oder dem konfigurieren von technischem Schnickschnack beschäftigen, kredenzt André Hartung mit "Never Neverland" den feuchten Traum vom behelmten Hasen der den Brigadistinnen geradezu ein wohliges zwirbeln der Brustwarzen abnötigen wird. Diese wiederum erfüllen nur bedingt das Klischee von Mädelz die ihren Polieren das sauer verdiente Geld für chillige Lounges & extravagante Urlaubswelten aus der Tasche ziehen, sie setzen immer wieder zum Tiefgang & melodiöser Entschleunigung an.

Insbesondere Antje Schulz, die in "Dreh mir die Zeit zurück", unter innerer Zerissenheit & cooler Distanz zu einer Stärke findet die man so auch gerne streng vertraulich gehört hätte. "Voyage" die Vorab-Single voll warmer Sehnsucht, lotet dezent mit Antje Dieckmann feinporige Grauwertunterschiede aus, bis ein fetter Baß naht & dem Song euphorisierend elektrische Stämmigkeit verpaßt. Dieser Klangteppich liegt auf der Höhe der Zeit & verdient Extrapunkte im Innenausbau. Eigentlich ein klarer Fall für eine 12" Aktivisten-Version, statt jener etwas mehr als 4-Minuten-Stechkarte mit der Personalnummer 13! Für wuchtige, schwitzige Clubsounds in der "Abrissbude" sorgt letztlich Alexander Pitzinger, ein ansonsten seriöser Mann des Vergleiches... verklickert hier brachial, dass grenzenlose Dummheit der wahre Baustoff ist.

Na & wer nicht über ein derart begrenztes Hirn verfügt, der versteht das "Popmusik für Rohrleger" als herzlich ehrliche Hommage an die Väter der Mensch-Maschine-Musik & gruppendynamischer Ästhetik nur in Form der Persiflage greifen konnte. Kurzum: Es ist eines der wenigen Alben geworden mit dem man ein Feierabendbier trinken möchte & dem man die letzten Zeilen vom "Abbau" vollends gönnt - "...siehst Du die Sterne funkeln?" ;-)