Finnischer Avantgarde-Electro dürfte weder zum allgemeinen musikalischen Standard gehören noch einer breiten Hörerschaft bekannt sein. Pan Sonic wollen dies ändern und eröffnen den Hörern ein breit gefächertes Spektrum elektronischer Ergüsse auf sage und schreibe vier CDs. Schon seit dem Ende der 80er Jahre treibt das Duo Pan Sonic sein Unwesen und hat sich mit verschiedenen Klanginstallationen unter anderem im Centre Pompidou in Paris einen Namen gemacht. Früher nannten sich Mika Vainio und Ilpo Vaisanen übrigens Panasonic, mussten aber aufgrund eines Rechtsstreits mit dem gleichnamigen japanischen Konzern ihren Namen etwas kürzen. Nach ihrem letzten Album "Aaltopiiri" haben sich Pan Sonic auf eine riesige Welttournee begeben. Diese wurde aber nicht, wie normalerweise üblich, durch feste Tourdaten geprägt, sondern die beiden Finnen hatten einen ganz anderen Plan. Die Tournee wurde bestimmt durch die Antworten auf zwei kleine Anzeigen im Musikmagazin The Wire. In diesen wurden Promoter und Fans aufgerufen, der Band ausgefallene Veranstaltungsorte zu vermitteln. Pan Sonic verlangte dafür nur eine Übernachtungsmöglichkeit und einen kleinen Prozentsatz am eventuellen Gewinn, den die jeweilige Veranstaltung abwirft. Die Nachfrage war so gewaltig, dass das finnische Duo acht Wochen quer über die ganze Welt reiste und an allen möglichen Orten seine Musik zum besten gab, unter anderem auf den Osterinseln und zusammen mit einem 40-Mann starken, isländischen Chor. Eigentlich sollte die Tour noch weitere vier Wochen durch die süd-östlichen Teile Europas führen, aber der Tourstress war für Mika Vainio irgendwann zu viel und er erkrankte, so dass die weiteren Gigs abgesagt wurden. Nach diesem Mammut-Projekt gönnten sich Pan Sonic erst einmal eine Pause, um dann mit neuem Elan an die Arbeiten ihres neuen Albums zu gehen. Die Pause scheint Mika Vainio und Ilpo Vaisanen sehr gut getan zu haben, denn aus dem Album wurde eine Box mit vier CDs. Der Name " Kesto (234:48:4)" kann mit "Dauer: 234 Minuten, 48 Sekunden und 4 Millisekunden" übersetzt werden, was nichts anderes bedeutet, als dass den geneigten Hörer vier Stunden elektronischer Erlebniswelten erwarten. Die Arbeiten zu "Kesto" wurden beeinflusst durch Mikas Hang zu den Arbeiten des irischen Malers Francis Bacon, einem der bekanntesten Erschaffer von Triptychen. Ein Triptychon ist ein dreiteiliges Bild, wie man es von vielen Altarbildern her kennt, bei denen die drei Teile meist eine inhaltliche Beziehung zueinander aufweisen. Pan Sonic haben dieses Konzept erweitert und ihm einen vierten Teil hinzugefügt. Dabei verwenden Pan Sonic spezielle, analoge Tongeneratoren und nehmen die Songs stets live auf DAT auf. Klingt interessant? Ist es auch. Die Titel der Tracks bestehen aus finnischen, umgangssprachlichen und entfremdeten Wörtern und damit nicht nur Hörer, die der finnischen Sprache mächtig sind, deren Bedeutung verstehen, haben Pan Sonic, soweit es ging, die englische Entsprechung angefügt. Der erste Teil von "Kesto" ist sehr rhythmusorientiert und überrascht mit seiner Neigung zu Noise-lastigen Tracks. Dabei schaffen es Pan Sonic aber, trotz der schweren Last, die dem Hörer aufgebürdet wird, die einzelnen Songs nicht zu erdrückend wirken zu lassen. Als ob man in einem gewaltigen Maschinenpark umherwandern würde, erwartet einen mal etwas ruhigeres Dröhnen, mal bombastische Ausschweifungen. Viele Effekte lassen den Hörer im unklaren darüber, was er sich da eigentlich gerade zu Gemüte führt und das macht die erste CD von "Kesto" äußerst spannend. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Teil, nur dass es hier etwas gediegener zur Sache geht. Fast schon in Richtung Ambient tendierend, setzen Pan Sonic hier mehr auf die atmosphärische Wirkung und lassen die Beats und das mechanische Dröhnen etwas außen vor. Leider wirken die Songs beim ersten Hören manchmal etwas langatmig. Richtig verstörend setzt das Duo seinen Weg beim dritten Teil fort, denn hier werden am Anfang fast sensible und leise Töne mit brachialen Exzessen vereint, die einen manchmal regelrecht aufschrecken lassen. Und nachdem man sich seinen Weg vom ersten bis zum dritten Teil, von orgiastischer Gewaltsamkeit zu fast unhörbarer Zartheit gebahnt hat, folgt mit der vierten CD ein, über eine Stunde langer, Exkurs in die Untiefen des elektronischen Universums. Komplett auf Rhythmus und verzerrte Töne verzichtend, wirkt "Sateily" wie eine Traumwelt, völlig entrückt und trotzdem fesselnd. Es bedarf sicherlich etwas Geduld, sich eine Stunde lang diesem atmosphärischen Soundtrack zu ergeben. Dieses Werk bedarf keines Resümees, zu verschieden werden die individuellen Meinungen sein und zu unterschiedlich die Erwartungshaltungen. "Kesto" muss man einfach selbst erleben, um es glauben zu können. Aber Vorsicht, leichte Kost darf man auf dieser Box nicht erwarten.