Orplid - Greifenherz

2 ½ Jahre sind eigentlich keine allzu lange Zeit zwischen zwei Veröffentlichungen, trotzdem können 2 ½ Jahre Welten bedeuten. Im Falle von Orplid's neuem Werk „Greifenherz“ stehen diese für thematische Unterschiede, denn im Gegensatz zum Vorgänger „Sterbender Satyr“, wo die mystische Betrachtung der Natur im Mittelpunkt stand, dreht sich auf „Greifenherz“ alles um eines, den Krieg. Der Greifvogel, vornehmlich der Falke, ist das Symbol hierfür und er zieht sich gleichsam als roter Faden durch das vierte offizielle Album des Duos Uwe Nolte (Texte, Bilder) und Frank Machau (musikalische Umsetzung). „Nichts, nur der Schutt soll den Tag überdauern. Dies meine Botschaft, nun geht, und viel Glück!“ (02) Was als beim Blick auf die Titelliste als erstes auffällt ist, daß „Greifenherz“ von drei namenlosen Stücken in vier Teile unterteilt ist. So deutet sich bereits eine fortlaufende Entwicklung an, deren erster Abschnitt ganz von „Luzifer“ dominiert wird. Es ist der dunkle Engel selbst, der von martialischen Trommeln und harscher Elektronik begleitet zur Erde fährt. Die ungestüme Gewalt der Instrumente wird noch betont durch die pathetisch-melodische Darbietung des Textes von Rolf Schilling. Dagegen erscheint der ruhiger gehaltene, dezent mit der akustischen Gitarre begleitete „Schwertgesang“ schmeichelnd, wie eine unheilvolle Versuchung. „... als sänge letztmals er bewunken von den Sommern, farbentrunken, Feierlieder des Verfalls.“ (05) Die „Feierlieder des Verfalls“ könnten nicht überzeugender dargestellt werden als von Gastsängerin Sandra Fink. Gleich einer mahnenden Norne erhebt sie in "Totenesche" ihre rauhe, verstörende Stimme zum Stakkato einer E-Gitarre und dramatischen Klavierklängen. Fortgeführt wird diese Stimmung mit scharfem, industrialartigem Rascheln und hölzernen Xylophon-Schlägen in „Myrmidonenklage“. Auch dort jedoch setzen harmonische Verse und weicher Gesang einen wirkungsvollen Kontrapunkt. Noch subtiler kommt dies bei „Des Sperbers Geheimnis“ zum Tragen, dessen melancholische Stimmung einerseits durch den Text, andererseits durch gezieltes Hinausziehen einiger Silben in der Melodieführung gebrochen wird. „...bald hörst Du weder Schrei noch Schuß, nun schlafe, schlafe Du.“ (09) Ungewöhnlich, mit einem englischen (!) Sample aus „Nervous Tension“ des britischen Projekts Lemon Jelly beginnt „Schlaf im Mohn“. Wie ein Traum erscheinen danach die mit dunkler Stimme vorgetragenen Gedanken eines sterbenden Soldaten, der vielleicht in Ypern oder an der Somme den Tod begrüßt. Eines der leiseren aber vielleicht deshalb am nachhaltigsten beeindruckenden Lieder der Scheibe, welches im Folgenden einer unglaublichen Kälte weicht. Es ist die unwirtliche, von Eis bedeckte Insel aus dem Kosmos der norwegischen Black-Metal Band Immortal, welche in „Traum von Blashyrkh“ abermals von Sandra Fink besungen wird und die mit ihrer musikalisch umgesetzten Lebensfeindlichkeit einerseits exemplarisch für die Atmosphäre des gesamten Albums steht, andererseits ein Gegenstück zu Eduard Mörike's paradiesischem Eiland Orplid darstellt, nach dem sich die Protagonisten benannten. „Who's fighting and what for?“ (11) Der im dritten Zwischenspiel eingefügte, verzweifelte Ausruf stammt von Mick Jagger (Rolling Stones), als 1969 beim Konzert in Altamont (Kalifornien) der junge Meredith Hunter von den als Ordnern eingesetzten Hell's Angels ermordet wurde. Viele bezeichneten diesen Vorfall als das Ende der „Love and Peace“ Ära und dieses Sample markiert auf „Greifenherz“ gleichfalls ein Ende, nämlich nicht nur das der Menschen, sondern vor allem das der Kultur. Hierauf verweisen sowohl das folgende, mit harten Schlägen unterlegte Stück „Der Anarchist“ von Frank Wedekind als auch ganz besonders der rezitierte „Gesang an den Horusfalken“ (Rolf Schilling), welcher den Tod der Götter beklagt. Die finale Reprise des eröffnenden „Falkeneid[s]“ wirkt daraufhin wie eine verwehte Hoffnung und schließt gleichzeitig den Kreis. Anders als es der Titel vermuten läßt, befaßt sich „Greifenherz“ also nicht mit Heldentum und Kampfeslust, sondern mit den tragischen Auswirkungen von Krieg und Gewalt, dargestellt in der gewohnt bildreichen Sprache Uwe Noltes. Dabei strahlt das Album, wie bereits gesagt, eine bisher nur selten bei Orplid zu findende Kälte aus, verursacht durch die überwiegend elektronischen Elemente, welche teilweise schon zum Industrial tendieren. Zur im Neofolk so beliebten akustischen Gitarre wird nur noch selten gegriffen, was der klanglichen Vielfalt merklich gut tut und die Rezensentin letztendlich zur Vergabe der Höchstnote veranlaßt. -------------------- Die Zahlen hinter den Zitaten sind die Tracknummern aus denen diese entnommen wurden.

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