Nach dem ruhigen "The Boatman's Call" von 1997 dauerte es geschlagene vier Jahre, bis es wieder etwas Neues von den Bad Seeds zu hören gab. Was war passiert? Nick Caves durch Frauen verursachte, persönliche Gefühlsachterbahn, seine Katharsis mit "The Boatman's Call" und seine Alkohol- und Heroinsucht dürften einige der Gründe dafür sein. Sicherlich nicht alle. Nachdem die Fans so lang auf ein neues Album warten mussten, war die Überraschung oder Enttäuschung bei einigen mit Sicherheit groß, als mit "No More Shall We Part" eine äußerst melancholische und ruhige Platte erschien. Wo waren die rockig-krachigen Nummern der früheren Tage abgeblieben? Hatte sich Nick Cave vom Märtyrer in einen Messias verwandelt? Eins kann gleich vorweg genommen werden: Auch auf "No More Shall We Part" findet man Klänge der alten Bad Seeds, nur den Großteil des Albums strahlt mehr Idylle als Übermut aus. Besondere Bedeutung kommt dabei Warren Ellis zu, dem Nick Cave für sein Geigenspiel freie Hand ließ und der nicht unwesentlich zu dem ganz besonderen Sound des Albums beigetragen hat. Sei es das gitarrenmäßige Schrammeln in "Fifteen Feet Of Pure White Snow" oder das traurige Spiel in "Hallelujah". In Kombination mit Nicks Piano unvergleichlich schön, für die Bad Seeds bis dato aber sehr außergewöhnlich. "Love Letter", ein mit Streichern unterlegtes Lied über einen Liebesbrief, in dem der Schreiber desselben hofft, der Brief möge seine Bestimmung erfüllen, ist für die Bad Seeds ebenfalls besonders. Aber auch ein Beispiel dafür, dass diese Band äußerst vielseitig und gefühlvoll zu Werke gehen kann. Noch einmal zurück zu "Fifteen Feet Of Pure White Snow". Obwohl der Song einer der lebhafteren auf dem Album ist, sollte man ihn nicht unbedingt mit früheren Eskapaden der Bad Seeds vergleichen. Es ist ein erster Schritt hin zum Nachfolgealbum "Nocturama". Man merkt den Bad Seeds ihren Spaß beim Austoben richtig an. Im auf der DVD enthaltenen, zugehörigen Video kann man das auch sehen, wenn z.B. Blix Bargeld angetrunken umher tanzt. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass die Tollheiten von früher melodischen und dramatisch einwandfrei konstruierten Liedern weichen müssen. Verstärkung dafür hat sich Nick Cave mit den Folk-Schwestern Anna und Kate McGarrigle ins Boot geholt, die bei einigen Songs mit ihrem eigenwilligen Gesang für den passenden Background sorgen. Lyrisch nimmt sich Nick Cave im Gegensatz zu den Vorgängeralben auch mehr zurück, versteckt viele Anspielungen und Andeutungen zwischen den Zeilen. Keine Massaker auf offener Straße mehr, keine Abrechnung mit Verflossenen. Dafür aber eine Verballhornung des Fundamentalismus in jeglicher Form ("God Is In The House"). Er erzählt seine Geschichten ausführlicher, nimmt sich mehr Zeit. Wortspielereien kommen in Caves Texten zum Glück immer noch vor, genauso wie Absurditäten und kuriose Reime. Aber auch sehr eingehende Beobachtungen und beschreibende Einzelheiten, wie etwa im zweigeteilten "My Sorrowful Wife", das ruhig beginnt und gegen Ende richtig lärmend wird. Was nach dem Album "No More Shall We Part" kam, wissen wir aus heutiger Sicht. Vor zehn Jahren hat das Album aber einige Fragen nach der Zukunft von Nick Cave & The Bad Seeds aufgeworfen. Vielleicht war das Eintauchen in melodische Wogen einfach ein notwendiger Schritt, bevor es mit "Nocturama" und später mit Grinderman wieder lauter und derber wurde. Vielleicht auch deshalb ist dieses Album ein ganz besonderes, weil es eben so heraussticht und einen gefühlvollen und trotzdem bissigen Nick Cave zeigt.