Da hilft nur noch die gelbe Karte: Was ist von einer Band zu halten, die ihre neuestes Machwerk „Gelb“ zum Start der Bundesligarückrunde auf den Markt bringt, Werbeeinblendungen in Songs vermieten möchte, ein Audiobook zum Thema eines der Stücke beilegt und ansonsten abwechslungsreiche, tanzbare elektronische Musik mit eingestreuten Samples fabriziert - also das, was man landläufig EBM nennt - dabei aber ihren Webauftritt unter http://ebmisdead.com präsentiert? Ganz offensichtlich versteht sich das deutsche Musik-Projekt Neuroticfish auf Provokationen, die mit der Musik als solcher zunächst nichts zu tun haben. Während bei Vätern des EBM wie „Front 242“ die Samples immer integraler Bestandteil der Aussage des jeweiligen Stückes waren, wirkt das Zubehör bei dieser Veröffentlichung eher aufgesetzt. Ja, Musik gibt es auf „Gelb“ auch. Sascha Mario Klein scheint jedoch gerade einen kreativen Tiefpunkt erreicht zu haben, dann ausser dem vorab ausgekoppelten Stück „The Bomb“ findet sich auf diesem Album nichts erwähnenswertes, weder von der Musik, noch von den Texten her. Es klingt zwar alles typisch nach „Neuroticfish“, doch von der Genialität der alten Sachen wie „M.F.A.P.N.L.“ oder „Velocity“ ist nicht viel übrig geblieben. Die meisten Songs plätschern nur so vor sich hin, ohne Energie oder Aussage. Das gilt freilich nicht für „The Bomb“, welches wirklich gut gelungen ist. Ein interessantes Thema mit Tiefgang, schöne Melodien, einen Rhythmus, dass einem das Tanzbein juckt; so stellt man sich ein gutes EBM-Stück vor. Wann hat sich schon mal jemand ersthaft musikalisch mit der Innenansicht von Selbstmord-Attentätern oder Amok-Läufern beschäftigt? Diese Hingabe an das Instrument des Terrors, sei es aus privaten, politischen oder religiösen Gründen kann in diesem Stück in beängstigender Weise überzeugen. Aber ebenso wenig, wie eine einzige Schwalbe einen Sommer macht, macht ein geniales Stück verbunden mit einer Ansammlung von Belanglosigkeiten ein gutes Album. Der einzige Grund, warum man nicht anfängt, Sascha Mario Klein nach dem Durchhören von „Gelb“ zu hassen, ist die Erinnerung an die guten alten Zeiten verbunden mit der Hoffnung, er möge doch bitte wieder zu alter Genialität zurückfinden. Nur ein wirklich gutes Stück auf einer Album-CD, das zudem schon vorab ausgekoppelt wurde, das ist deutlich zu wenig. Anstatt mit Mätzchen von den gesammelten Belanglosigkeiten abzulenken, hätte Neuroticfish die Energie lieber in bessere Songs investieren sollen. Drei Punkte gibt es von mir nur, weil mir „The Bomb“ gar so gut gefallen hat, wirklich verdient hat es das Album nicht.