Mit 'The sea I'm diving in' versucht sich das deutsche Folk Projekt Neun Welten im 16. Jahr seines Bestehens an Neuem: mit der Erweiterung des Klangspektrums durch elektrische Gitarren und durchgehendem Gesang in englischer Sprache will man dem Stillstand Einhalt gebieten. Warum dies eigentlich nicht gelingt, man nun an einer neuen, altbekannten Krankheit leidet und das Album dennoch lohnt, ist hier zu lesen: Bisher stand Neun Welten für vornehmlich instrumentalen Genuss, warme Folkklänge, natürliche, opulente Instrumentierung und zum Teil dramatischen Trommeleinsatz. Auf zwei Alben konnte sich das auf ein Trio geschrumpfte Projekt einen recht guten Namen machen, ein Platz in der ersten Reihe der Folk Landschaft blieb aber bisher aus. Ob dies am meist fehlenden Gesang lag erscheint möglich. Nun vernimmt der Hörer auf 'The sea I'm diving in' fast durchgehend Gesang: meist dünn gesungen/geflüstert, manchmal versucht kräftiger - und damit komme ich zum Kernproblem des Albums in meinen Ohren. Denn wie bei soooooooooo vielen Bands aus dem Bereich Folk/NeoFolk krankt auch Neun Welten 2017 an einem Gesang, der viel zu dünn und manchmal neben der Spur ist und dem an der einen oder anderen Stelle sogar die Puste auszugehen scheint. Manchmal schmerz das Zuhören ganz ähnlich wie bei einzelnen Beiträgen von z.B. Sonne Hagal oder Darkwood (wenn zum Beispiel im wunderschönen Opener "Drowning" abschließend die Dramatik durch hohen Gesang unterstrichen werden soll, das Ganze aber dadurch eher hilflos erscheint). Das ist schade, denn instrumental gibt man sich keine Blöße und spielt die bekannten Stärken routiniert aus. Auch der Einsatz elektronischer Hilfsinstrumente ist zwar kein kreativer Heilsbringer sondern lässt Vergleichsmomente mit älteren :of the wand an the moon: zu, erweist sich wohl aber als eine überzeugende Ergänzung. Überraschungen finden sich in den Arragements vor allem in der ersten Albumhälfte keine, aber in diesem musikalischen Terrain noch für Überraschungen zu sorgen erscheint fast unmöglich. "Dying swan" ist wunderschönes Lauschfutter und "In nocturnal rhymes" schlägt erfolgreich in eine ganz ähnliche Kerbe. Trotz dieser beiden Ausnahmen war ich eher enttäuscht nach der ersten Albumhälfte: Melodien solide bis gut, Gesang eher abschreckend.... Doch siehe da, ab "In earth vein" wandelt sich das Album zu einem starken Output: Als ob ab dieser Stelle deutlicher überlegt wurde, wie der Gesang trotz Schwächen gut eingesetzt werden kann störe ich mich weniger an ihm. Die Arragements zeigen sich wandlungsfähiger und schöner und es findet sich mit dem forsch-rockigen "Human fail" sogar eine angenehme Überraschung auf dem Album. Daumen auf Halbmast also? Naja, dass muss der geneigte Käufer entscheiden. Sicherlich werden viele Folkenthusiasten den Gesang als ehrlich/authentisch empfinden und sich dementsprechend nicht so sehr daran stören. Und das fehlende Alleinstellungsmerkmal kann man Neun Welten genausowenig vorwerfen wie den 100 anderen Bands, die einfach aufgrund der Spielart verdammt ähnlich klingen. Nur stellt sich gerade dann die Frage: Muss man 'The sea I'm diving in' im Schrank haben? Jein! Reinhören sollte man aber in jeden Fall, um zumindest eine eigene Antwort entwickeln zu können.