Studiert man die wöchentlichen Todesanzeigen in der regionalen Presse, wird dem Verstorbenen häufig eine indirekte Weiterexistenz seiner selbst in den Gedanken und Erinnerungen seiner Freunde und Angehörigen zugesprochen. Diese habe er sich durch sein Wirken zu Lebzeiten erarbeitet, sei es mit Fürsorge, Arbeit, Leistung oder Kreativität. Der Band „Condition One“ musste glücklicherweise noch keine Todesanzeige gewidmet werden, doch deren jahrelange Abwesenheit nährte die Vermutung, das Trio habe zumindest seine musikalische Existenz auf Erden beendet und hätte der Synthpop-Gemeinde die einprägsamen Melodien ihrer wunderbaren Debüt-CD „Mirror of Liberation“ aus dem Jahre 1999 als metaphysisches Äquivalent des ewigen Lebens hinterlassen. Doch ein Blick hinter die vermeintlich stumme Fassade der Band lohnt sich: Komponist und Vollblutmusiker Nico Wieditz agierte die letzten Jahre keinesfalls hinter ausgestöpselten Synthesizern als Hobbygärtner oder Modelleisenbahn-Herumschieber, sondern trug maßgelblich zu den jüngsten And One-Alben bei, wirkte als Produzent und Musiker auf der Bühne mit, zudem fanden mit „My Angel“ und „Somebody’s Song“ zwei leicht modifizierte Lieder aus dem Hause Condition One ihren Weg auf die „Achtung 80“-CD der Synthpoplegenden um Steve Naghavi.
Auch Nicos Soloprojekt „Syntphonic“ ließ mit der klassisch angehauchten EP „Unified“ aufhorchen, konnte jedoch die Hoffnung vieler Fans nicht kaschieren, mittelfristig auf ein Comeback der zwischenzeitlich in den Electro-Dub Sektor gewechselten Ursprungsband zu hoffen. Nach dem Schnellschuss „Running“, der vor sieben Jahren kurzzeitig auf iTunes verfügbar war, mittlerweile aber wieder vom digitalen Markt genommen wurde, schickt sich nun die Single „Breathing“ an, die Wartezeit auf das fast fertiggestellte Album „Spotlight“ zu versüßen. Das Cover des kommenden Longplayers geistert schon seit einigen Jahren durch die sozialen Medien, stets mit der Frage verknüpft, ob Nico und seine Kollegen zum nostalgischen, aber keineswegs veraltetet klingenden Sound aus den Anfangstagen zurückkehren mögen.
Um die Eindrücke der Single vorwegzunehmen: Ja, sie tun es! Das ist waschechter Synthiepop mit schönen Melodiebögen, prägnanten, aber nicht überfrachteten Rhythmen und einer modernen, professionellen Produktion, die keinerlei Kritikpunkte offenbart. Das Erfolgsrezept des Songs: man nehme die Grundzüge vom treibenden Refrain des Evergreens „Black Skin“, streut schmeichelnde Harmonien mit 80er Jahre Anleihen ein, baut auf den unverwechselbaren Gesang und haut im Outro noch eine kleine And One-Reminiszenz raus. So bleibt das laut Nico „poppigste“ Stück des Albums gleich im Ohr hängen, ohne aber beim dritten Durchlauf bereits zu langweilen. Im Gegenteil, das Klangbild ist vielschichtig genug, um nicht dem Massenmarkt zum Opfer zu fallen. In dieser Form bleibt Condition One lebendiger denn je und es bleibt Nico, Matthias und Manuel zu wünschen, dass sie ihren musikalischen Nachlass noch um so manchen Szenehit erweitern können. Willkommen zurück!