Myrkur - Folkesange

Myrkur - Folkesange

Der Norweger Hans Dahl malte vor knapp 150 Jahren Gemälde, die die Schönheit urtümlichen Lebens im Land der Fjorde einen Hauch verklärt darstellen. Einen ganz kleinen Hauch verklärt. Aber hübsch sind sie schon. Wo war ich? Ach ja: Eines dieser Werke hing bei der Großmutter von Amalie Bruun an der Wand. Eine Kindheitserinnerung, die die gebürtige Dänin und heute in den USA lebende Musikerin nun in der Gegenwart aufgreift um ihr dritten Album mit einem stimmigen und gleichzeitig sehr persönlichen Artwork zu präsentieren. Und verklärt ist vielleicht auch ein Adjektiv, das sich auf das Album an sich übertragen lässt – was aber bei weitem nichts Schlechtes heißen muss. Wie klingt also 'Folkesange'?

Es war absehbar, dass Bruun in keinster Weise vorhat, ihr Projekt Myrkur im copy-paste Prinzip Album um Album zu wiederholen. War der Einstieg vor etwas über 5 Jahren mit der selbstbetitelten EP und dem Debüt 'M' deutlich schwarzmetallisch geprägt und verband typisch nordische Raserei mit wundervollem schwelgenden Klargesang, so mischte sich in 'Mareridt' eine gehörige Portion düsterer Rock/Pop Elemente, die Vergleiche mit Chelsea Wolfe auf den Plan riefen. Und auch skandinavische Folkelemente wurden deutlicher in den Fokus gerückt. In meinen Ohren eines der schönsten und abwechslungsreichsten Alben der letzten Jahre. 'Folkesange' ist die logische Weiter- oder Rückentwicklung, die das Projekt Myrkur nun vollzogen hat. Bruun hatte das Album vor der Geburt ihres ersten Kindes geschrieben und nun aufgenommen. Christopher Juul, seines Zeichens röhrender Teil der sehr speziellen Formation Heilung, produzierte aus Freundschaft mit Bruun den Reigen und heraus kam ein Album, dass wie Dahls Gemälde ganz wundervoll, aber eben auch durchaus sehr verklärt mit volkstümlichen Weisen und eigenem Material umgeht. Bruun spielte alle Intrumente selbst ein und ich kann ganz erfreut feststellen, dass größtenteils mehr Wert auf raue, ungeschlieffene Natürlichkeit gelegt wurde als auf künstlichen Bombast, denn die Keyboards sind recht zurückhaltend eingefügt. Zudem singt sie auf englisch, norwegisch und samisch und klingt immer ganz wundervoll lieblich, aber nie belanglos anschmeichelnd. Alle Songs sind per se schön, durch die eher wenig aufdringlichen Percussions entsteht auch nicht der Eindruck, als wolle man schamanische Rituale zelebrieren, wie es grade zum Teil Mode scheint. Vielmehr setzte Bruun um, worauf sie gerade Lust hat und wenn es nun eine liebliche Folk Aufnahme ist, dann sei es so. Als Anspieltipps benenne ich insbesondere zwei Lieder: "Tor i Helheim" ist ein typischer Vertreter skandinavischer Folkkunst und mit seinen hoch gejauchzten Rufen und dieser melancholischen Natursehnsucht ein echter Schmachter. Verklärt? Ja, aber vielleicht auch eher traumgleich. "House Carpenter" hingegen ist eher ein beschwingter Folksong, den ich im United Kingdom verorten würde. Verklärt? Ja, aber wunderschön.

Und so habe ich Freude mit 'Folkesange', bin mir dabei mehr als bewusst, dass es nicht die Klasse des Zweitwerkes hat und nur zwei Lieder wirklich das Potenzial haben, dass ich sie bewusst wieder ansteuere. Als traumhafte akustische Untermalung für schöne Stunden ist das Album aber definitiv eine gute Wahl ganz ohne Ausfälle. Bruun schafft recht zielsicher den schwierigen Tanz am Abgrund zum Kitsch, ohne über den Rand zu geraten. Das mag an ihrer Stimme liegen, der wohlüberlegten Instrumentierung, die vielschichtiger ist, als man zunächst meint, der natürlichen Produktion und der feinen Auswahl unterschiedlicher nordischer Folkloretypen. Ich sehe das Album vor allem als schöne Weiterentwicklung eines mehr als interessanten Projektes. Bruun gönnte es sich, ein 'nettes' Album zu machen, das vielleicht wie eine Aufarbeitung der Kindheit vor dem Schritt der Mutterwerdung nur logisch war. Und so bin ich mehr als gespannt, ob Myrkur nun ankegommen ist oder ob uns beim nächsten Mal wieder ein neuer Sound erwartet.

 

Myrkur

Folkesange

 

20.03.2020

Relapse Records

 

https://myrkur.bandcamp.com/album/folkesange

 

01. Ella
02. Fager Som En Ros
03. Leaves Of Yggdrasil
04. Ramund
05. Tor I Helheim
06. Svea
07. Harpens Kraft
08. Gammelkäring
09. House Carpenter
10. Reiar
11. Gudernes Vilje
12. Vinter

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