An wen oder was denkt der medienfreudige Musikkonsument als erstes, wenn er den Namen Mötley Crüe hört? An Pamela Anderson oder an gigantischen Glam Rock? Zu meiner Schande konnte sich die wasserstoffblonde Bademeisterin ziemlich deutlich durchsetzen - dies jedoch sollte sich schnell ändern. Doch werfen wir zunächst ein wenig in das gute alte Rocklexikon und schauen was die Herren um Drummer und Hobbybootkapitän Tommy Lee Anfang der Achtziger so alles trieben. Nikki Sixx und sein Buddie Tommy Lee hingen mitten in der Pubertät und wussten vor lauter Unfug nix besseres zu tun, als mal eben eine Glam Rock Band namens „Mötley Crüe“ zu gründen – und wer sich schon immer über die seltsam anmutenden Umlautzeichen wunderte, dem sei gesagt, dass sie die Folge eines feuchtfröhlichen Abends mit ein paar Flaschen Löwenbräu waren. Schon mit dem Debüt „Too fast for love” veröffentlichte die schnell zum Quartett mutierte Band 1981 ein Album, welches wegweisend sein sollte, denn mit ihm ermöglichte sich ein Plattenvertrag mit Elektra Records und damit der rasche landesweite Erfolg. In der Folge erschienen Meilensteine des Glam Rock, welche sich jedoch oftmals hinter den ausufernden Alkohol- und Drogenschlagzeilen anstellen mussten. Den negativen Höhepunkt stellte ein Abend im Jahre 1987 dar, als im Hotelzimmer von Slash (ehemals Guns n’ Roses), Sixx beinahe einer Überdosis Heroin erlag und nur mit einer Adrenalinspritze mitten ins Herz gerettet werden konnte. Musikalisch erreichte „Mötley Crüe“ mit „Dr. Feelgood“ 1989 den Gipfel des kommerziellen Erfolgs. Als erste Hard Rock Band erklommen sie die Spitze der amerikanischen Billboard-Charts, in der sie unglaubliche 109 Wochen verblieben. Doch auf den Triumph folgt bekanntlich die Ernüchterung. Der veränderte Musikgeschmack des Publikums sowie der zeitweise Ausstieg von Sänger Vince Neil führten zu sinkenden kommerziellen Erfolgen. Obwohl die beiden folgenden Alben „Mötley Crüe“ und „Generation Swine“ (wieder mit Vince Neil) in die Top 10 einziehen konnten, beherrschte nicht die Musik, sondern vor allem das Privatleben von Nikki Sixx und Tommy Lee die Schlagzeilen - besonders das weltbekannte Privatvideo von Tommy Lee und Pamela Anderson machten den Drummer unfreiwillig erneut zu einem internationalen Medienstar. Nach der offiziellen Auflösung 2002, rafften sich die Jungs 2004 noch einmal auf und veröffentlichten das Album „Red, White and Crüe“ (eine Ansammlung diverser Lieblingssongs der Bandmitglieder), worauf 2005 eine gigantischen Reunion-Tour folgte. Unter anderem machte man eines Abends auch in Grad Rapids/Michigan halt und bannte die Show auf Bild und Ton. Und ich muss eingestehen, dass mich diese Scheibe wirklich begeistert. Hielt ich die Band für ein Bündel in die Jahre gekommener Altrocker, muss ich eindeutig feststellen, dass diese Band noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Kraftvoll, energiegeladen und mit jugendlicher Leichtigkeit schleudert die Band eine Granate nach der anderen in den pickepacke vollen Graben, während sich die Fans die Seele aus dem Leib schreien – 23 mal Atmosphäre pur. Die gefühlten Erfinder des „Sex, Drugs & Rock n’ Roll“-Images, die laut eigenen Aussagen, die Band mit dem zweithöchsten Drogenkonsum ist bzw. war (nach Ozzy Osbourne), liefern wahrhaftig eine Show der Extraklasse, welche als bloße AudioCD natürlich nicht alle Facetten liefern kann. Dafür lohnt es sich die gleichnamige LiveDVD in den heimischen Player zu legen, um auch optisch in den Genuss dieser Ausnahmeband zu kommen. Für die älteren Metalheads dürfte die Anschaffung ein Muss sein, für die jüngeren (zu denen auch ich mich noch zähle) ist es eine willkommene Gelegenheit, eine wegweisende Band des Hard Rock und Heavy Metals kennen und schätzen zu lernen.