Es geht uns in den Zeiten der Pandemie doch ähnlich: Wir sind recht viel zu Hause und da beginnen viele irgendwann, auch mal den Dachboden, den Keller und die Abstellkammer zu sichten, eventuelle Schätze zu entdecken und Ramsch über Bord zu werfen. So auch beim Medienkonverter geschehen. Ich sagte einmal zu laut "Ach, ich habe grad keine Alben, über die ich schreiben könnte" und stehe nun vor einem Berg von circa 58 Alben und Eps aus ungefähr 12 Jahren, die sich im Fundus angesammelt haben. Es werden sicherlich keine 58 Kritiken, aber der ein oder andere Text kommt wohl dabei herum. Mal sehen, ob sich auch Schätze fanden.

Morgaine ist eine junge Frau, Mitte 20, aus Wien und sie hat eine Botschaft. Nein, eigentlich ganz viele. Und mit ihrem Debüt "Wir sind eins" hat sie in meinen Ohren ein perfektes Album zusammengestellt für eine Zielgruppe im Alter zwischen 12 und 16, also die Phase, in der man eine naive Hoffnung auf eine Weltverbesserung und die Anleitung zu einem besseren Miteinander aller Menschen direkt benennt ohne sie sprachlich etwas kunstvoller verpacken zu wollen. Da ich selbst recht lange mit jungen Menschen zusammenarbeite, finde ich mich sofort wieder in Morgaines Liedern und kann ich mir vorstellen, dass ihre Texte im richtigen Setting auch gut ankommen werden. Jedoch ist diese satte Stunde fluffig-positiver Direktheit für das erwachsene Ohr nur schwer als Musikalbum ernstzunehmen.

Für ein Debüt steht verdammt viel auf der Haben-Seite – instrumental und gesanglich überzeugen die 14 Lieder. Eine warme, natürliche Produktion tut ihr übriges. Auch die Verpackung und die Gestaltung des Booklets wirken wie aus einem Guss (bei den Fotos könnte ich mir Morgaine auch sehr gut als Elfe bei einem Live-Rollenspiel vorstellen) und Morgaines Dankesworte machen klar: die Frau meint es ganz genauso, wie sie es singt und schreibt. Sie will bewegen, sie hofft, dass "wir" es besser hinbekommen. Melodisch wird netter Folk geboten, irgendwo zwischen Lagerfeuerstimmung und Keltenmarkt. Es ist alles solide bis gut, nicht aufregend und vor allem nicht ablenkend, denn die Texte sollen im Mittelpunkt stehen. Die Message. Und was will ich gegen die Message denn sagen? Gar nichts! Ich halte sie für grundsätzlich für eine gute, für nicht verkehrt: Kritik an Banken, Tierwohl, Konzern-Verdrossenheit, Suche nach der inneren Kraft, nur der Mensch selbst und ein Umdenken können zu einem Wandel führen, Veganismus, Weltfrieden, für einander da sein. Natürlich mit einer nicht unerheblichen Portion an Esotherik und Fantasy sowie niedrigschwelligem Wissen über keltische Mythen garniert, aber ansich: Es könnte Schlimmeres passieren, als dass die Jugend Morgaine Gehör schenken würde.

Ich würde Morgaines CD mit jüngeren Menschen besprechen – die Texte sind null (nein falsch: das muss in Großbuchstaben hier stehen) NULL subtil, flauschig und total feel-good. Man könnte sie nutzen, um Lehreinheiten wie "Klimawandel" oder "Formen des Aktivismus" mit anschließender Diskussion zu eröffnen. Ich unterschreibe definitiv nicht jedes Wort, einige Stellen würde ich in der Diskussion auch eher zerpflügen, aber ansich ist das alles geeignet für eine solche pädagogische Arbeit. Wenn die Eltern gerne Faun, Omnia oder The moon and the nightspirit hören, dann kaufen sie ihren Kindern Morgaine. Jedoch und dieses JEDOCH ist auch groß geschrieben: Als folk-liebender Privatmensch ist mir das sowas von zu nett, zu heile Welt und da Morgaine nicht einen Song lang nachgibt, Pause gönnt um einfach mal über etwas anderes zu singen, geht mir ihr Debüt irgendwann tierisch auf den Senkel – am Ende bin ich so glücklich, dass ich kotzen will und frage mich, ob ich genervt sein soll von der fluffigen Morgaine oder meinem chonisch zynischen Selbst, das so viel Gutes nicht erträgt.

 

Morgaine

Wir sind eins


 

16.09.2016

Digitale Dissidenz


 

http://digitaledissidenz.com/release/morgaine-wir-sind-eins/

 

01. Intro

02. Sternenkinder

03. Für eine bessere Welt

04. Märchenland

05. Goldener Kreis

06. Der See

07. Wir sind eins

08. Ich werd dich immer lieben

09. Lass los

10. Tochter der Wildnis

11. Wolfsliebe

12. Seelenplattenbau

13. Weltfriedensutopie

14. Es ist an der Zeit