Mina Harker, das Braunschweiger Duo, das auf der letzten Oomph!-Tour als Vorband reüssierte, legt sein Debüt-Album vor. Nach der sehr erfolgreichen Tour bleibt im Nachhinein zu fragen, ob die eingefleischten Fans des ebenfalls aus Braunschweig stammenden Electro-Metal-Trios vor lauter Oomph!-Erregung bzw. Begeisterung über Deros stets fulminante „Ich habe zwei Stunden Ausgang aus der Forensik“-Show Mina Harker auch das eine oder andere Auge und vor allem Ohr, geschenkt haben. Darüber hinaus ist es für eine Newcomer-Band beizeiten eh schon schwierig genug. Schon alleine deshalb, weil es neue Bands auf dem rezessionsgeplagten Phono-Markt sehr schwer haben. Wenn das Buhlen um die Gunst des solventen Musikfreundes, der für „physische“ CDs oder legale Downloads seine meist nicht gerade „billig“ verdienten Euronen auf den Tisch des Hauses legen will, beginnt, greift der potenzielle Käufer schließlich meist eher zu den altbewährten Acts. So weit, so gut. Nach dem Ablauschen von „Tiefer“ sollte man hoffen, dass es für Mina Harker auch tatsächlich weiter geht… Revolutionär Neues bietet das gemischte Doppel zwar nicht, hat aber wohl augenscheinlich eine regelrechte kleine Marktlücke auf dem Markt der Alternative Sounds entdeckt. Die Band um den Gitarristen und Elektroniker Alexander Gorodzeki sowie der Sängerin Mina Harker, die uns ihren realen Tauf- und Zunamen lieber schuldig bleiben will, legen einige mittelstarke, starke und noch stark ausbaufähige Songs vor. Mina, deren Name aus dem weltberühmten Roman „Dracula“ vom Bram Stoker adaptiert wurde, weiß bei den kompakten Songs des Debüts nicht nur mit einer kräftigen und variablen Stimme zu überzeugen, sondern tut dies zusätzlich auch visuell. So präsentiert sie ihren dunklen 20er Jahre Bob (das ist eine halblange, stark symetrische Damen-Frisi mit kurzem Pony, by the way) über einer ebenfalls sehr ansprechenden schlanken Figur im schwarzen Gothic-Kleid. Und dies nicht nur im Booklet des Albums, sondern auch im wirklich sehenswerten Video des Titelsongs. Letzteres befindet sich übrigens auch auf der Bonus-DVD des superben neuen Advanced Electronics Samplers, Volume 7. Soviel kurz zum Äußeren, denn dies soll bloß kein Review aus quasi rein maskuliner Sicht werden… – also, äh…, jetzt weiter zur Musik. Die Electro-Rock-Songs sind mit ihrem Strophe/Strophe – Refrain – Strophe – Bridge – Refrain-Muster allesamt sehr klassisch aufgebaut. Auf Eingängigkeit wurde viel wert gelegt, Experimente unterlassen. Die Gitarre dominiert, ohne auch nur ansatzweise in den Metalbereich abzudriften. Klaviergänge, Streicher-Teppiche, Samples und deutlich hörbare elektronische Drums-Sounds, live ergänzt durch eine humane Schießbude wie bei Oomph!, ergänzen das Klangbild. Obwohl das Album ein Debüt ist, hört man deutlich heraus, dass Hr. Gorodzeki und Fr. Harker nicht erst seit gestern musizieren. Dabei überrascht es nicht, dass das Album bei der erwähnten Kompaktheit der elf Stücke nur auf eine Laufzeit von knapp 40 Minuten kommt. Aber das macht ja auch nichts: blutleeres Füll- u. Streckmaterial, verwurstet, um der berühmten 80 Minuten Audio CD-Schallgrenze näher zu kommen, hat den Hörer noch nie weiter gebracht. Doch bei aller angestrebten Eingängigkeit sind die Refrains eben nicht immer mittelohrfräsend wie auf dem Titelstück „Tiefer“, das richtig gut kommt und vor allem die Sängerin mit ihrer ausdrucksstarken Stimme im glänzenden Licht dastehen lässt. Vielleicht liegt es daran, dass gerade ein wenig zu oft versucht wurde, eben die geile Melodie und eben den geilen Refrain - würde Dieter Bohlen jetzt formulieren - zu finden. Um dies zu erreichen hat eine Band, wie eben jene Oomph!, die freilich erheblich härter zu Werke gehen, Jahre der Entwicklung gebraucht. Letztere haben es ja nahezu perfektioniert, gleichzeitig kernig, eingängig, innovativ und dabei doch nicht anbiedernd zu wirken. Gerade dem hier präsentierten gesanglichen Duett mit Dero bei „Bis in den Tod“ (wohl entstanden nach dem Motto: „Sing du vor mir, dann sing ich einmal mit dir!“; siehe Einleitung) merkt man dann als Paradebeispiel an, dass die Eingängigkeitsformel der Beiden noch bei weitem nicht immer hundertprozentig und unwiderstehlich funktioniert. Das Ganze ist eben schon gut, aber noch ausbaufähig. Nach dem anregenden Konsum und der analysierenden Reflexion des Albums drängt sich abschließend tatsächlich ein Vergleich mit dem sehr erfolgreich agierenden Alternative Pop-Duo von Rosenstolz auf – ohne dies in irgendeiner Art und Weise abwertend zu meinen. Mina Harker könnte man durchaus als Gothic-Variante der verschärft verkaufenden Rosenstolz bezeichnen. Morbider, rockiger, wesentlich alternativer - doch ebenso eingängig ausgelegt und wert, angecheckt zu werden.