Mert Akyürek - Cold Shadows

Mert Akyürek - Cold Shadows

Manchmal stolpert man nachts durch Bandcamp wie durch eine verlassene Tiefgarage: kalt, leer, kein Ausgang in Sicht – und plötzlich hörst du etwas. Kein Song im klassischen Sinn, sondern eine Präsenz. Eine Schwingung. Etwas, das sich nicht meldet, sondern einfach da ist. So ging es mir mit Cold Shadows (2025 Remastered) von Mert Akyürek. Ich kannte den Künstler bis zu diesem Moment nicht. Kein Name, der mir je begegnet wäre. Kein Werk, das ich schon kannte. Aber dieses hier – es hat mich sofort gepackt. Und dann auch nicht mehr losgelassen.

Cold Shadows erschien ursprünglich am 19. März 2023 als digitales Album in Eigenregie – zehn Tracks, ohne viel Aufhebens, ohne Label, ohne Promo-Maschine. Zwei Jahre später hat Akyürek dieses düstere Monument remastered – und es fühlt sich jetzt noch eindringlicher an. Ich kann also mit voller Überzeugung sagen: Dieses Remaster war mein erster Kontakt mit Mert Akyüreks Werk. Und was für ein Einstieg das war. Die Musik entzieht sich klassischen Kategorien. Keine klassischen Songstrukturen, keine leicht zugänglichen Hooklines – stattdessen eröffnet sich ein fließender Strom aus dronenden Klangflächen, subtil eingesetzten Samples und fragmentarischen Melodien, die mal auftauchen, mal wieder verschwinden. Es gibt Stimmen – nicht als Gesang, sondern eher als verfremdete Echos, als verzerrte Andeutungen menschlicher Präsenz in einer ansonsten menschenleeren Klangwelt. Manchmal wirken sie wie verlorene Funksprüche aus einem kaputten Satelliten, manchmal wie das Flüstern der eigenen Gedanken, wenn man lange genug schweigt.

Ich habe das Album nachts gehört, mit Kopfhörern, allein. Und genau so funktioniert es am besten. Denn Cold Shadows spricht nicht laut. Es murmelt, schabt, schwebt. Es will nicht mitreißen, sondern sich ausbreiten – in Kopf und Körper, bis man nicht mehr weiß, wo der Klang aufhört und man selbst beginnt. Es ist Musik für Zwischenschichten, für mentale Halbdunkelheit, für diesen einen Zustand zwischen Schlaf und Wachen, in dem man nicht mehr ganz bei sich ist – und vielleicht genau deshalb empfänglich. Man hört mehr, obwohl eigentlich weniger passiert. Diese Art von Musik lebt vom Detail, vom Hauch, vom Raum zwischen den Tönen – und genau das bringt die Version des Albums deutlicher zur Geltung. Was mich begeistert hat, ist die Konsequenz, mit der Mert Akyürek seinen Klangkosmos gestaltet. Da gibt es kein Augenzwinkern, keine Spielerei, keine versöhnliche Wendung. Es ist, wie es ist: dunkel, distanziert, still. Und gleichzeitig voller Gefühl – aber nicht aufdringlich. Ich fühlte mich beim Hören nicht bedrängt, sondern beobachtet. Oder besser gesagt: Ich fühlte mich überhaupt nicht. Und genau das war erstaunlich beruhigend.

Natürlich ist klar: Cold Shadows wird nicht jedem gefallen, denn die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Wer Musik sucht, die einen bei der Hand nimmt, wird hier nur kalte Luft greifen. Aber wer bereit ist, sich treiben zu lassen – in einem Strom aus Klang, Erinnerung und minimalistischem Audio-Horror –, wird reich beschenkt. Ich jedenfalls bin seitdem neugierig auf alles, was Mert Akyürek sonst noch erschaffen hat. Und ich habe begonnen, mich durch seine Plattformen zu wühlen: Bandcamp, SoundCloud, Spotify, YouTube, Apple Music – überall schwirren seine Werke durch die Dunkelheit.

Fazit: Cold Shadows (2025 Remastered) ist kein glatter Einstieg in die Welt von Mert Akyürek – aber ein ehrlicher. Wer bereit ist, die Komfortzone zu verlassen, wird hier einen außergewöhnlichen Ort finden. Einen Ort, an dem Klang keine Unterhaltung ist, sondern Atmosphäre. Keine Geschichte, sondern Zustand. Für mich persönlich ein klanglicher Glücksgriff in einer schlaflosen Nacht – und vielleicht der Beginn einer längerfristigen Faszination. Bewertung: 4,5 von 5 Sternen. Warum nicht die vollen fünf? Weil dieses Album nicht jedem zugänglich ist. Und weil ich glaube, dass Mert Akyürek noch weiter gehen kann – tiefer, noch feiner, noch kompromissloser. Aber als erste Begegnung mit seiner Welt war Cold Shadows für mich fast perfekt. Und definitiv unvergesslich.

Mert Akyürek - Cold Shadows
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