Fans von melancholischem Future Pop, aufgepasst! Sollte euch der Name 'Lost Signal' nicht bekannt sein, empfehle ich dringend, das zu ändern. Hinter diesem Projekt steht 'Charles Rehill', der bereits 2001 mit Tom Shear (Assemblage 23) sein Debüt Catharsis aufnahm. Die musikalischen Markenzeichen von damals sind bis heute erhalten geblieben: treibende wie ruhige Kompositionen mit einem distanzierten, maschinellen Beigeschmack, der nicht zuletzt durch die subtil bearbeitete Stimme des Sängers erzeugt wird. Diese Stimme klingt unaufdringlich und resigniert, bahnt sich ihren Weg durch Beats und Sequenzen und vermag es, den Hörer je nach Stimmung entweder zum Tanzen oder zum melancholischen Himmelsblick zu verführen.
Die Texte deuten auf einen schmerzhaften Verlust hin, eine Thematik, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album zieht und diesem eine konzeptionelle Note verleiht. Im Gegensatz zu vielen Alben, die mit ziellosen Intros oder uninspirierten Instrumentalstücken beginnen, führt Incalculable den Hörer sanft in Eviscerate ein – und damit in einen Sturm aus scheinbar emotionslos vorgetragenen Gefühlen. Das mag widersprüchlich klingen, doch spätestens bei Quicksand Effect wird klar, was gemeint ist. Die einleitenden Zeilen „And here I am alone once more – the same as many years before – and now I see what that makes me – is fading rapidly“ stehen exemplarisch für den Tenor des Albums. Es lassen sich vage Parallelen zu Mind In A Box ziehen, insbesondere in der leichten Entfremdung der Stimme und dem Motiv scheinbarer Einsamkeit. Allerdings sind die Kompositionen von Lost Signal zugänglicher und benötigen weniger Hördurchläufe als die komplexen Werke des österreichischen Duos.
Mit Locked Away präsentiert sich ein persönliches Highlight: pumpende Beats, Energie und Trauer verschmelzen zu einer unwiderstehlichen Kombination. Danach drosselt Mourn das Tempo spürbar – ein notwendiger Schritt, um dem Album mehr Abwechslung zu verleihen. Drowning hingegen erhöht den Anteil an tanzbaren Tracks, nach einem Breakbeat-Intro hin zu klassischem Four-to-the-Floor. Die Abwechslung setzt sich mit Distance fort, einem atmosphärischen, gemäßigten Instrumental, das hervorragend zur Gesamtstimmung des Albums passt und definitiv nicht übersprungen werden sollte (es erinnert mich unweigerlich an einige Songs auf Matter+Form).
Perfect Sky und das herausragende Haunted reißen den Hörer aus der Lethargie, bevor Blind das Tempo erneut reduziert. Der finale Track, Quiet Fury, beschließt das melancholisch durchzogene Album mit kryptischen Textzeilen, die Raum für eigene Interpretationen lassen. Als optimistischer Abschluss lässt sich das Stück allerdings kaum deuten – dafür ist es zu nervös und düster.
Man merkt es sicher: Ich hatte große Freude an diesem Album. Die Mischung aus melancholischer Grundstimmung, kühler Düsternis und dennoch spürbarer Energie ist wundervoll und wird durch die spannenden Kompositionen hervorragend unterstrichen. Gibt es Kritikpunkte? Vielleicht ein kleiner: Die Produktion wirkt stellenweise etwas verwaschen, der Drumsound etwas drucklos. Gleichzeitig sorgt diese klangliche Rauheit aber für eine homogene, kalte Atmosphäre, die den Songs gut zu Gesicht steht. Zudem ist zu bedenken, dass Lost Signal kein Großprojekt ist, und die technischen Möglichkeiten vermutlich begrenzt waren.
Fazit: Ein großartiges Album, das mit starken Texten glänzt und genau meinen Geschmack trifft. Ich hoffe, dass Lost Signal noch viele weitere Liebhaber findet – verdient hätten sie es!