Das Künststück, einen veritablen Bekanntheitsgrad zu erlangen, ohne große Verkaufszahlen zu generieren, ist sicherlich nicht unbedingt erstrebenswert. Im Falle der Legendary Pink Dots trifft dieses seltene Phänomen allerdings zu. Die düsteren Experimental-Rocker um den mittlerweile 70-jährigen Edward Ka-Spel konnten sich in ihrer vier Dekaden umspannenden Karriere einen guten Leumund erspielen, ohne absatzträchtige Alben. Auch wenn ihre Musik nicht gerade direkt mit der Schwarzen Szene in Verbindung gebracht werden kann, sind LPD regelmäßiger Gast auf den großen Festivals wie dem Wave-Gothik-Treffen und dem M'era Luna.
Was also macht die Band für die Schwarzkittelträger so attraktiv? Hört man in "So Lonely In Heaven", ihrem neuesten und gefühlt drölftausendsten Album (zwei Veröffentlichungen pro Jahr sind bei der Band keine Seltenheit), rein, wird schnell deutlich, warum: Die Band ist so etwas wie die erste Anlaufstelle für eine sinistre Indie-Gitarren-Elektronik-Melange mit Edwards heller und beschwörender Stimme als zentraler Dreh- und Angelpunkt der Stücke. Seine psychedelisch angehauchten, in sich verschachtelten Sounds bilden einen Antagonismus zum krachigen EBM- und Goth-Rock-Sound. Bei den Legendary Pink Dots gilt die Kontemplation und das konzentrierte Verweilen vor der Musikanlage als zwingend, um den bisweilen hörspielartigen Charakter seiner Stücke aufnehmen zu können. Anders gesagt: Legendary Pink Dots sind die Meister der melancholischen Afterhour.
Diese stellen sich auf "So Lonely In Heaven" die Frage, ob die scheinbare Glückseligkeit in unserer modernen, hochtechnologisierten Welt nur ein Trugbild ist und sich hinter dieser Fassade des Zusammenseins eine große Einsamkeit und Leere ausbreitet. Individualismus und Isolation sind die zwei Eckpfeiler, über das sich das Leben des homo digitalis spannt. Und obwohl der leicht haschumwölkte Sound dieser Band an eine frühere Zeit erinnert, passt er doch in unsere Gegenwart, die genauso unübersichtlich und voller Gleichzeitigkeiten ist.
Um ungehörte Töne nicht verlegen, arbeitet Ka-Spel mit seinen Mitstreitern nicht mit gewöhnlichen Songmustern, sondern folgt eher einem Bewusstseinsstrom. Der übliche Strophe-Refrain-Strophe-Aufbau findet sich kaum noch auf "So Lonely In Heaven". Dafür dominieren leicht entrückte Klangkonstrukte. Pastellige Indie-Akustik-Gitarren beim Titelsong, sanfte Bässe und ein jazziges Blasinstrument auf "Sleight Of Hands", modernklassische Geigen in "Blood Money: Transitional" und gar ein überbordendes Patchwork an Stilen auf "Choose Premium: First Prize" sowie weitere Unerwartbarkeiten machen das Werk einerseits sehr spannend, aber auch extrem anspruchsvoll.
Nur einmal sind sie in ihrer Komposition gut nachvollziehbar - und damit geradezu poppig aufgestellt. Aber "Cold Comfort" ist alles andere als anschmiegsamer Wohlfühlklang. Das Lied wirkt wie in Watte gepackt, gelooptes Vogelpfeifen und Maschinengeräusch geben dem Stück eine dezent surreale Note, während Edward in einen stoischen Weltschmerz abzudriften scheint. Sicherlich zählt diese Nummer zu den stärksten des Albums.
Dass es "So Lonely In Heaven" in die Charts schafft, dürfte angesichts der bisherigen Erfahrungen eher ein Wunschtraum bleiben. Ohne Zweifel bewegt sich die englisch-niederländische Vereinigung auf einem ganz eigenen Terrain, zu dem nicht jeder Zugang finden wird. Ihre Fähigkeit, stets anders, frisch und unkonventionell zu klingen, dürfte aber der Grund sein, warum diese Band mit regelmäßigen Beiträgen im Musikzirkus überlebt hat. "So Lonely In Heaven" verdeutlicht einmal mehr, dass sich an dieser Grundeinstellung nichts ändern wird.