Das Album 'Eventyr I: Strid' der norwegischen Band 'Kveld', veröffentlicht am 4. Januar 2025 ist ein klangliches Meisterstück, das in seiner Atmosphäre und Tiefe wie aus einer anderen Zeit wirkt – oder vielleicht sogar aus einer anderen Welt ist. Als erster Teil eines Triple-Albums, das den Soundtrack zu einem Film bildet, der im prähistorischen Europa spielt, ist dieses Werk so viel mehr als bloße Musik: Es ist eine Expedition in die archaischen Wurzeln der Menschheit, vertont mit einer Mischung aus künstlerischer Präzision und instinktiver Urgewalt. Wer also dachte, er könne dieses Album nebenbei beim Wäscheaufhängen hören, wird spätestens nach den ersten Minuten merken, dass man hier lieber die Wäsche ähh.. Kerzen anzündet, den Kopf frei macht und sich voll auf dieses Erlebnis einlässt.
'Kveld' (deutsch: Abend) haben auf dem Release eine Klanglandschaft geschaffen, die in ihrer Wirkung so hypnotisch ist wie ein Lagerfeuer in einer tiefen Winternacht. Die Instrumentierung zeigt eine meisterhafte Balance zwischen Tradition und Innovation. Es gibt Trommeln, die wie uralte Herzschläge klingen, Streicher, die eine melancholische Weite beschwören, und Flöten, die so fern und doch so nah sind, dass man fast glaubt, sie seien der Wind selbst. Gleichzeitig fügen sich dezente elektronische Elemente wie Synthesizer und Drones nahtlos in das Klangbild ein, ohne jemals den natürlichen Charakter der Musik zu überdecken. Es ist, als hätte jemand den Klang einer verschwundenen Ära eingefangen und ihn durch die Linse moderner Technik erlebbar gemacht.
Die Musik entfaltet sich mit einer bemerkenswerten Geduld. Statt schneller Höhepunkte oder bombastischer Effekte arbeiten die Stücke mit subtilen Schichten, die sich langsam aufbauen und den Hörer peu à peu immer mehr in ihren Bann ziehen. Wiederholungen, die oft hypnotische Qualität besitzen, verleihen dem Album eine fast meditative Wirkung – oder, wenn man es weniger philosophisch ausdrücken möchte: Es ist wie ein musikalisches Knetgummi für die Seele, das sich stetig formt und einen völlig einnimmt. Dabei ist die Stimmung nie erdrückend, sondern von einer würdevollen Dunkelheit durchzogen, die ebenso beruhigend wie herausfordernd wirkt.
Die Produktion verdient ein eigenes Lob! Alles klingt, als wäre es an einem heiligen Ort aufgenommen worden, irgendwo zwischen Fjord und Feuerstelle. Die Raumwirkung der Aufnahme gibt dem Album eine Tiefe, die man nicht nur hört, sondern fast fühlen kann. Besonders beeindruckend ist, wie die verschiedenen Elemente perfekt ausbalanciert sind: Jede Trommel, jede Melodie, jeder flüsternde Hauch steht genau dort, wo er hingehört – und doch wirkt es nie steril oder konstruiert, sondern lebendig und organisch.
Vokaleinsätze sind ein (dunkles) Highlight des Albums, auch wenn sie doch sparsam verwendet werden. Statt in klaren Gesang zu verfallen, hört man Beschwörungen, Flüstern und Chöre, die sich wie Stimmen von Göttern oder Geistern anhören. Es fühlt sich nicht so an, als ob hier jemand etwas singt, sondern eher, als ob die Musik selbst durch die Stimmen spricht. Und wenn man sich dabei ertappt, dass man unbewusst beginnt, ein unsichtbares Publikum anzurufen, weiß man, dass die Band etwas richtig gemacht hat.
Die Atmosphäre von Eventyr I: Strid ist dabei schwer in Worte zu fassen. Es ist düster, aber niemals trostlos. Es ist archaisch, aber zugleich zugänglich. Und es hat diese seltene Qualität, einen komplett in seinen Bann zu ziehen, ohne jemals zu fordern, dass man sich durch wüste Dissonanzen kämpft. Es fühlt sich tatsächlich so an wie der Soundtrack eines Films den man in seinem Kopf sehen kann – epische europäisches Landschaften, lodernde Feuer und Rituale, die irgendwo zwischen Traum und Erinnerung angesiedelt sind.
Kveld beweisen auf diesem Album eine außergewöhnliche Sensibilität für Struktur und Atmosphäre. Die Stücke fühlen sich nie wie einzelne Tracks an, sondern wie Kapitel eines großen, zusammenhängenden Ganzen. Dabei bewahren sie eine Leichtigkeit, die so manchen ambitionierten Soundtrack oder Konzeptalbum fehlt. Trotz der tiefen spirituellen und archaischen Themen gibt es hier und da Momente, die eine gewisse Verspieltheit durchscheinen lassen – sei es durch überraschende Wendungen oder rhythmische Akzente, die fast augenzwinkernd wirken. Wer genau hinhört, merkt: Kveld nehmen ihre Musik ernst, aber nicht sich selbst.
Nun, für wen ist dieses Album geeignet? Eventyr I: Strid ist für alle, die Musik nicht einfach nur konsumieren, sondern erleben wollen. Fans von Neofolk, Dark Ambient oder ritueller Musik werden hier ein wahres Festmahl finden, aber auch für Menschen, die einfach eine musikalische Flucht aus dem Alltag suchen, ist es ein perfekter Einstieg in eine andere Welt. Dieses Album erfordert Geduld und Offenheit, belohnt den Hörer jedoch mit einem Erlebnis, das gleichermaßen emotional, spirituell und ästhetisch fesselnd ist. Kurz gesagt: Eventyr I: Strid ist wie ein guter norwegischer Winter – intensiv, fordernd, aber auch schön und irgendwie reinigend. Ein eindrucksvoller Auftakt für Kvelds großes Triple-Album-Projekt und eine Einladung, sich auf etwas einzulassen, das mehr ist als nur Musik. Wer sich darauf einlässt, wird so schnell nicht zurückkehren wollen – und vermutlich auch nicht müssen, denn Teil II und III stehen ja noch in den Startlöchern.
Fazit: Ein absolutes Muss für alle, die bereit sind, sich von Klängen verzaubern zu lassen, die ebenso alt wie neu klingen.