Es gibt Alben, die hören sich an wie ein Abendessen bei den Schwiegereltern – höflich, erwartbar, nett. Und dann gibt es noch Grit Light von Kotra: ein Album, das mit dir Schlitten fährt, während du versuchst, den Boden unter den Füßen wiederzufinden. Dmytro Fedorenko, seines Zeichens Meister der experimentellen Elektronik, hat hier wieder einmal ein Klanguniversum geschaffen, das dich mal umarmt, mal wegstößt aber doch immer wieder zum Staunen bringt.
Schon der Auftakt „All The Knowledge To One Point“ ist keine Einladung, sondern eine Ansage. Über 13 Minuten zieht dich Kotra in eine akustische Singularität, die gleichzeitig meditativen Tiefgang und nervöse Unruhe erzeugt. Es ist ein Einstieg, der dich fast fragen lässt, ob du dich auf eine spirituelle Reise oder einen sci-fi-Überlebenskampf eingelassen hast. Spoiler: Es ist beides.
Das Album ist ein Spiel mit Gegensätzen. Rauheit und Klarheit, Chaos und Struktur, Schwere und Licht – all das verschmilzt zu einer Art klanglichem Paradoxon. Kotra lässt Soundflächen entstehen, die gleichzeitig statisch und lebendig wirken, fast wie eine surreale Klanglandschaft, in der die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt sind. Dabei verzichtet er auf klassische Melodien oder Rhythmen, die man greifen könnte. Stattdessen entsteht eine abstrakte Ästhetik, die mehr spürbar als hörbar ist.
Besonders faszinierend ist die Art und Weise, wie sich die Klänge entwickeln. Nichts bleibt lange so, wie es scheint. Ein sanft pulsierender Ton kann sich plötzlich in ein wütendes Brummen verwandeln, ein Moment der Stille wird von einer dröhnenden Welle aus Geräuschen abgelöst. Es ist, als ob Kotra eine eigene Sprache entwickelt hat, die nicht mit Worten, sondern mit Frequenzen kommuniziert.
Grit Light ist absolut kein Album, das man mal nebenbei hören kann. Es fordert Aufmerksamkeit, es fordert Hingabe. Aber wer sich darauf einlässt, wird mit einer Erfahrung belohnt, die mehr mit Kunst als mit Musik zu tun hat. Kotra hat hier ein Werk geschaffen, das sich jeglicher Kategorisierung entzieht und dennoch eine klare Botschaft vermittelt: Klang ist mehr als Unterhaltung, er ist eine Dimension, die entdeckt werden will.
Fazit: Grit Light ist ein mutiges, intensives und zutiefst beeindruckendes Album. Kotra zeigt einmal mehr, dass er nicht einfach nur Musik macht, sondern Klangwelten erschafft, die sich weit jenseits des Gewöhnlichen bewegen. Wer Lust auf ein außergewöhnliches akustisches Abenteuer hat, sollte dieses Album unbedingt hören.