Ist es wirklich schon so lange her seit dem letzten Klangstabil-Album "Taking Nothing Seriously"? Beschäftigte sich dieses mit dem Nichts als solches, ist das neue Album "Math & Emotion" des Duos im Prinzip genau das Gegenteil. Es geht um die Verbindung des Rationalen mit dem Emotionalen, zwei Begriffe, die wesentlich das Menschsein prägen. Die Fähigkeit, rational zu denken (zumindest in den uns gesetzten Grenzen) und die Fähigkeit, uns von unsere Gefühlen leiten zu lassen, haben nicht nur dazu beigetragen, dass die Menschheit bis heute überlebt hat, sondern definieren uns unter anderem als Menschen. Nun lässt sich die Behauptung aufstellen, dass sich Gefühle nicht in Zahlen oder mathematischen Formeln ausdrücken lassen. Andererseits löst die Mathematik bei den meisten unterschiedliche Gefühle aus. Die einen sind angewidert, die anderen entzückt. Ein Spiel, das diesen Widerspruch enthält, ist Schach. Auch hier stehen sich kühle Logik und Emotionen gegenüber. Ein Gegensatz, der sich im Übrigen auch in das reale Leben übertragen lässt. Boris May fing Mitte 2005 an, sich mit Schach zu beschäftigen. Bald darauf hatte das Duo die Idee geboren, das Thema Schach in seiner Musik zu verarbeiten. Schon gegen Ende des gleichen Jahres versuchte Boris May, den Maler der Cover der 70er-Jahre-Comics "Gespenster Geschichten" ausfindig zu machen, um die Covergestaltung für das neue Album zu übernehmen. Jener Ugurcan Yüce ist selbst Musiker und ließ sich schnell überreden, die Arbeit zu übernehmen. Auf diesem Cover findet sich der benannte Widerspruch im Kampf zweier Geister, die aus den beiden Schach spielenden Maurizio Blanco und Boris May aufsteigen. Musikalisch sind Klangstabil nach vier Jahren immer noch deutlich wieder zu erkennen. Dennoch gibt es ein paar entscheidende Änderungen. "Math & Emotion" ist in Teilen sehr poppig geworden und enthält sogar Reminiszenzen an den SynthPop der 90er. Natürlich ist der Sound gewaltig und kann ohne Probleme ein paar Sequenzen zu einem ganzen Song aufblasen. Das Ganze nennen Klangstabil passender Weise "Klangpop". Hinzu kommt der Gesang in deutsch, englisch und italienisch mit zum Nachdenken anregenden Texten und ergänzenden Samples, wie man es von dem Duo gewohnt ist. Ein Song wie "Gridami" lässt einen dennoch erstaunt Richtung CD-Player schauen, klingt er doch ein wenig wie Eurodance-Pop, was durch den italienischen Gesang nicht besser wird. Ganz im Gegensatz das das folgende "Hanham Vs. Steinitz", in dem eine Computerstimme Schachzüge runterbetet. Über den Großteil des Albums überzeugen Klangstabil mit ihrem dunklen, industrial-beeinflussten Pop. "Math & Emotion" ist somit einerseits genau das Album, das man erwartet hat und andererseits aber genau das Gegenteil. Da haben wir wieder einen Widerspruch. Man könnte auch sagen: "Math & Emotion" ist ein Album voller Widersprüche und Gegensätze. Stimmt aber nicht :-)