Bereits 1979 als Suicide Commando von der Nabelschnur getrennt und schnell in Kirlian Camera umbenannt, kann das italienische Musikprojekt seit Gründung eine recht langsam, aber stetig wachsende Fangemeinde vorweisen. Entzückt von meist melancholisch hoch intensiven – und zuletzt auch immer tanzbareren Produktionen – werden sich zahlreiche Interessierte über vorliegende Kompilations-Veröffentlichung sehr freuen. Denn nicht zuletzt sind heutzutage alte Kirlian-Klassiker (wie das epische „Heldenplatz“) nur noch extrem schwierig bis gar nicht mehr im Original zu ergattern. Und dessen Ursprungs-„Seven Inch Version“ wird auf diesem Doppel Album - u.a.- eben auch geboten. Weitere rare Tracks schließen sich an. Vor allem auf der zweiten Scheibe tummeln sich derer fast schon en masse. Dabei kann fast das komplette Album diese bereits erwähnte Melancholie und das herausragende Trademark der Band schlechthin vorweisen; nämlich die außergewöhnlichen und gerade für den maskulinen Teil der Hörerschaft schon mal stark becircenden weiblichen Vocals. Die gelungene Verquickung von häufig eingesetzten „selbst gestrichenen“ Geigen tut ein Übrigens dazu bei, dem Sound der stets in Schwarz gekleideten Italiener, deren männliche Protagonisten-Antlitze gerne in schwarze Bankräuber-Mützen mit Augeschlitzen gehüllt werden, die gewisse elektrisch-eklektische Unverwechselbarkeit zu verleihen. Auf dem ersten Silber-Streich weiß besonders die Live-Version von „Comfortably Numb“ zu begeistern. Das tanzbare Up-Tempo Stück vereint gerade hier eine schaurig-schöne Geige mit dem restlichen Synthetik-Arrangement auf ideale Weise. Eine live gespielte, effektiv-einfache Gitarre darf zusätzlich dafür sorgen, dass das Lied nicht der schlaffen Langeweile anheim fällt. Das nachfolgende „Odyssey of Europa“ kommt ebenfalls absolut gelungen und erinnert vom eindringlichen Pathos her stark an die alten Romantik-Indie-Popper von Ultravox zu deren „Vienna“-Zeiten. Die bereits erwähnte Neu-Interpretation vom „Platz der Helden“ weiß ebenfalls zu begeistern. Auf dem zweiten Longplayer kann m.E. vor allem das neuere Stück „Blue Room“ zum Wachsen der Gänsehauthalskrause beitragen. Und wieder diese Stimme…! By the way: Elena Fossis romanischer Akzent wirkt gar nicht komisch, sondern auf seine Art eher selten interessant und gibt den sämtlich englisch intonierten Texten noch zusätzlich das gewisse Etwas. (Anmerkung: ein Text ist sogar in Deutsch verfasst...) Das Cover von Animotion`s 85er Chart-Smasher „Obsession“, das seinerzeit zusammen mit der lebenden EBM/Industrial-Legende Dirk Ivens von der Kult KIinik eingespielt wurde, weiß hingegen überhaupt nicht zu überzeugen. Hier wurde leider der schon mal schmale Grad zwischen kühl kalkuliertem, coolem Elektronik-Minimalismus und einer nach unausgereifter Demo-Version klingenden Neuinterpretation negativ überschritten. Da ist mir doch das Original Power-Pop-Stück x-mal lieber als eine Version, die klingt, als wäre sie innerhalb von zweieinhalb Stunden zusammen geschraubt worden. Auch die von männlichem Gesang dominierten Stücke („Communicate“ ist hier z.B. zu nennen) können – vielleicht auch eingedenk ihres Alters und der noch nicht so weit fort geschrittenen Metamorphose der Band – nicht richtig überzeugen. Da waren andere Projekte und Bands aus dem elektronischen Bereich, die hier (Anfang der 80er) auch bereits aktiv waren, sicher schon weiter in ihrer Entwicklung. Aber wo viel Licht ist, wie auf einer so extensiven Veröffentlichung, ist eben manchmal auch ein wenig Schatten. Summa summarum ist die Doppel-CD, der wohl am ehesten als Electro-Wave-Formation zu bezeichnenden Italiener, sehr zu empfehlen. Und zwar sowohl für alte (wegen der vereinten, schwer zu „beschaffenen“ Songs) sowie auch für neue Fans - wegen des gut kompilierten Überblickes über das Gesamt-Oeuvre. Fans der hardcorigen Art, die einfach die Voll-Bedienung brauchen, könnten ja dann alternativ und aufstockend zur der vier Compact Discs enthaltenden Mega-Edition greifen. Falls sie es noch nicht getan haben sollten. In letztem Fall werden sie sich darüber hinaus auch sicher schon schon rein optisch über das buchartige Artwork, das einen in der dicken Box erwartet, ergötzt haben.