Karl Bartos - Off The Record

Da ist es nun endlich, das – nach „Communication“ aus dem Jahr 2003 – erst zweite Solo-Album von Karl Bartos, der bis Anfang der 90er-Jahre als Schlagwerker bei Kraftwerk tätig war. Und ich nehme es vorweg: „Off The Record“ ist das Album, auf das Kraftwerk-Fans wahrscheinlich schon seit langer Zeit warten. Wer auf das Cover von „Off The Record“ schaut, fühlt sich sofort zurückversetzt in selige Zeiten, als Kraftwerk noch wegweisende Elektronik-Alben herausbrachten: Zu sehen ist eine Schaufensterpuppe mit Bartos’ faltenfreiem Gesicht – und nicht ein Porträt des „echten“ Karl, der mittlerweile 60 Jahre alt ist und dem man sein Alter auch ansieht. In der Tat: Mit „Off The Record“, einer Auswahl aus dem großen Bartos-Klangarchiv, nimmt der Ex-Kraftwerker seine Fans mit auf eine zwölfteilige Zeitreise – und zeigt ganz nebenbei, welchen Einfluss er nicht nur auf Kraftwerk hatte, sondern wie sehr er auch Band wie Electronic oder OMD beeinflusste. Da blubbert und tickert es gewaltig; die Drum-Machine rattert und die Stimme kommt zumeist aus dem Vocoder – wie bei Kraftwerk in deren bester Phase. Fans von Retro-Elektronik kommen also voll auf ihre Kosten: In „Nachtfahrt“ mixt Bartos gekonnt „Das Model“ und „Neonlicht“ miteinander, „International Velvet“ klingt wie ein Song von Komputer, bis plötzlich eine Querflöte ertönt – ein augenzwinkender Gruß an Florian Schneider. „Without A Trace Of Emotion“ ist ein hymnisches Pop-Juwel, „Musica Ex Machina“ entstand in Zusammenarbeit mit Bernard Sumner und Johnny Marr alias Electronic – elektronischer Brit-Pop vom Feinsten. „Instant Bayreuth“ stellt eine minimalistische Verbeugung vor Richard Wagner dar und hätte so auch auf einem frühen Kraftwerk-Album landen können, vielleicht auf „Trans Europa Express“, gleich nach dem genialen Track „Franz Schubert“. Und wer wissen möchte, wer wohl hauptverantwortlich für die knackigen Beats auf „Computerwelt“ war, hört bei „Rhythmus“ ganz genau hin. Und mit der gemütlichen „Hausmusik“, die so auch von Jean Michel Jarre hätte stammen können, endet diese unglaubliche Zeitreise. Ganz wichtig: Legen Sie sich auf jeden Fall die CD mit Booklet oder den Digital-Download mit PDF zu. Denn nur so finden Sie den richtigen Zugang zu diesem Album. Bartos beschreibt ausführlich, wie die Songs entstanden und welche Story ihnen jeweils zugrunde liegt. Erst so erschließt sich die Genialität dieses Albums vollständig. Fazit: Mit „Off The Record“ öffnet Karl Bartos seine elektronische Schatztruhe. Was er zu Tage fördert, dürfte Ralf Hütter vor Neid erblassen lassen. Darf in keiner gut sortierten Elektro-Sammlung fehlen!

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