Joy Division - These Days In Paris

Joy Division - These Days...

Darüber noch Worte zu verlieren, welchen Impact Joy Division auf nachkommende Generationen von Musizierenden ausübte, ist müßig. Die Band um den charismatischen wie enigmatischen Frontmann Ian Curtis etablierte einen nach innen gekehrten, aber dennoch wütenden Sound, der als Blaupause für die Sparten Post Punk und Gothic Rock, die in den späten 70ern im Begriff waren, sich auszuformen, dienen sollte. Das Besondere an dieser ganzen Story ist vor allem, dass die großen Ehrerbietungen erst kamen, als Joy Division aufgrund Curtis' Selbstmords bereits Geschichte war und die restlichen Mitglieder New Order formten, um die Geschichtsbücher der Popmusik weiterzuschreiben.

Ende des Jahres 1979 jedoch, als Joy Division durch ihr Debütalbum "Unknown Pleasures" von der (Szene)Presse enorm gefeiert wurde und rund 15.000 Einheiten verkaufen konnte, was für eine Independentproduktion recht ordentlich war, verschlug es die Band nach Paris, wo sie am 18. Dezember im Les Bains Douches, einem noch jungen Club, der sich schnell einen Namen in der französischen Independent-Szene gemacht hat, ein intensives Konzert absolvierten, in dem sich die Spannungen innerhalb der Band, aber auch die Zerrissenheit Curtis' in ihrer Performance zumindest erahnen lassen.

Exakt fünf Monate vor seinem Freitod litt Curtis immer stärker an epilleptischen Anfällen, die sogar während der Konzerte auftraten, vom Publikum aber als Teil des Auftritts interpretiert wurden. Zudem war die Beziehung zu seiner Frau zerrüttet und die - angeblich platonische - Liaison zur belgischen Journalistin Annik Honoré tat ihr Übriges, um den sensiblen Sänger in einen schier ausweglosen Konflikt zu stürzen.

Doch auch die Band litt unter dem Druck,das Label Factory quasi im Alleingang mit ihren Werken am Leben zu erhalten und gute Verkaufszahlen zu genrieren. Zudem haben sie nach einigen ausufernden Gigs, bei dem sich vor allem Bassist Peter Hook als extrem streitlustig und aggressiv gegenüber Provokationen seitens des Publikums zeigte, sich den Ruf als gewaltbereite Musiker erspielt.

All diese Faktoren dürften die Energie dieses Auftritts in der französischen Metropole, die vom lokalen Radiosender übertragen wurde, und, wenn man Discogs Glauben schenken darf, bereits 2002 über ein russisches Label veröffentlicht wurde - als unauthorisierte Flexi-Disc, erklären. Nun ist das komplette Konzert via Laser Media in manierlicher Tonqualität (wenn man mal das etwas dumpfe "Interzone" außen vorlässt) erhältlich und fängt den Moment einer Band ein, die gerade im Begriff ist, sich über die Grenzen ihrer Heimatstadt Manchester einen Namen zu erspielen.

Stephen Morris bearbeitet wie ein Getriebener sein Schlagzeug. Hook macht das, was er immer macht: den Bass so spielen, als sei es eine Leadgitarre (was den Sound von Joy Division definierte) und Bernard Sumner lässt bei "Love Will Tear Us Apart" neben seinem Saitenspiel auch einmal die Elektronik etwas Raum einnehmen. Doch die Liveaufnahme belegt deutlich, dass das Vierergespann natürlich vom Punk kam, was man an der wütenden Grundstimmung erkennen konnte. Doch Curtis' Poesie war eben eine andere, nach innen gekehrte. In seinen Liedern geht es nicht um Anarchie oder Revolution, sondern um die Kälte in einer Beziehung, um Liebe und Verlust eben jener sowie um existenzialistische Fragen.

Der ungeschliffene Sound holt Stücke wie "Transmission" oder "She's Lost Control" zurück in die Schlammigkeit. Was die Studioproduktionen durch austariertes Arrangements aufgeräumt klingen lassen, entpuppen sich in dieser Aufnahme als geifernde Kleinode, vorgetragen von einer Band, die um ihr Leben zu spielen scheint - vielleicht vorausahnend, dass die Ansprüche an sie stetig wachsen werden.

Natürlich ist "These Days In Paris" eine Empfehlung an die Fans der Band, aber auch an jene, die sich mit melancholischer Rockmusik befassen und zu den Wurzeln zurückkehren möchten, als die "Schwarze Szene" gerade im Begriff war, sich zu bilden.

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