John Carpenter ist den meisten sicherlich ein Begriff, gilt er doch als Altmeister des modernen Horrorfilms und B-Kinos und schuf mit Halloween, The Fog, Escape from New York oder Dark Star Meilensteine des günstigen aber effektiven Kinos. Doch verehre ich den heute 66jährigen nicht allein wegen seiner (zumindest in den 70ern und 80ern vorhandenen) Qualitäten als Regisseur, sondern wegen seiner Genialität als Komponist seiner eigenen Filmsoundtracks. Jeder kennt die Themen von Halloween und The Fog, doch bei Escape from New York, Prince of Darkness und They live entwickelte Carpenter einen ganz eigenen, großartigen Sound mit hohem Wiedererkennungswert. 2011 erschien der letzte und immerhin solide Film nach einer Reihe von qualitativen Tiefschlägen, heute, 2015, veröffentlicht Carpenter nun sein erstes Soloalbum - quasi einen Soundtrack zu nie entstandenen Filmen. Die 'Lost Themes' entstanden in Zusammenarbeit mit Sohn Cody Carpenter und Patensohn Daniel Davies am PC mit modernen Programmen. Dennoch schafft es Carpenter von der ersten Sekunde an, "Vortex" wie das Titelthema eines Films aus den 80ern klingen zu lassen. Eine melancholische Pianomelodie, simple Gitarrenriffs und eine konsequent-altmodisch-treibende Elektronik, zu der Snake Plissken den Broadway erobert hätte. Es klingt zwar alles zugegebenermaßen voller und moderner, doch durch Carpenters traditionell altmodisches Vorgehen bei der Verwendung von Sounds und Melodien bleibt das Gefühl einer Zeitreise. Fantastisch. "Obsidian" (mit einem auf 8 Minuten gestreckten Wechselbad aus treibender, synthetischer Kraft und ruhigen Momenten in künstlichen Welten) und das fast schon vertrackte "Fallen" schließen fast verlustfrei an das "Vortex" Niveau an. Pulsierende Basslinien, ganz typische Melodien und eine Verdichtung vieler Elemente innerhalb eines Liedes machen die drei Stücke zu kompletten Soundtracks für jeweils einen eigenen Film aus dem Bereich Science Fiction, weniger Horror. Großartig, dieser Einstieg - hätte der Rest des Albums ähnliche Qualitäten, würde ich vielleicht sogar von einem meiner Alben 2015 sprechen. Doch Carpenter verlässt mit "Domain" die mystisch düstere Spielwiese, auf der er so routiniert agiert und gibt sich freundlicheren und überfrachteten Themen hin. Ab diesen Moment verliert sich das Album leider und nur noch "Night" kann das Herz erhellen mit einer romantischen, wehmütigen Melodie und minimaler Elektronik. Die restlichen Themen sind nicht schlecht, erinnern an die Soundtrackspezialisten von Goblin aber haben nichts von der Carpenter Magie. Eine Sammlung von Titelstücken für nie entstandene Filme muss knallen. Anders als ein reguläres Musikalbum gibt es keine Entwicklung, keine Verbindung zwischen den einzelnen Tracks und anders als bei einem Filmscore kommen kein Bilder zu den jeweiligen Momenten in den Sinn, die eventuelle Schwächen in der Komposition durch einen positive Konnotation ausgleichen. Carpenter gelingt dies nur teilweise: 'Lost Themes' ist für Fans seiner Musik (wie mich) durch die ersten Stücke und den Abschluss eine sentimentale Bereicherung, eine uneingeschränkte Kaufempfehlung kann ich aber nicht ausstellen.... Dafür ist die Mehrheit der Tracks viel zu "nett" und beliebig.