Vor zwei Jahren durften wir bereits einen ersten Blick auf den Versuch einer Zusammenstellung des Schaffens von Jägerblut werfen. Nun ist das erste offizielle Album des 1996 von Julius Gospodard ins Leben gerufenen Projekts erschienen. Nach dem Split mit Sturmpercht und dem Beitrag auf dem Mia-Runa Sampler ist "1896-1906" erst das dritte veröffentlichte Lebenszeichen des Projekts. Anton Knilpert, Geneviéve Pasquier, Giuseppe Tonal und Tikki Nagual sind angetreten, ihre Version von Volksmusik zu verbreiten und aufzuzeigen, wie sich die Volksmusik hätte entwickeln können, wenn nicht die Aufweichung durch Schlager und massenkompatible Humptata-Musik a la Musikantenstadl Einzug gehalten hätte. So schräg, wie Jägerblut beim ersten Eindruck wirken, so ernsthaft ist der Ansatz dahinter. Allerdings merkt man auch schnell, dass das Quartett nicht allzu verbissen an die Sache herangegangen ist, denn auch der schelmische Faktor kommt nicht zu kurz. Alle vier Mitglieder von Jägerblut sind Teil des UMB Kollektifs und haben sich bis jetzt eher mit elektronisch fokussierten Projekten hervorgetan. Neben dem bekannten und mittlerweile zu Grabe getragenen Projekt Thorofon und dessen Nachfolger The Musick Wreckers ist auch Tonal Y Nagual zu nennen. Diese Kollaborationen haben sich bis jetzt immer durch eine gewisse Extravaganz ausgezeichnet, ebenso wie die Soloarbeiten von Geneviéve Pasquier, und so ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, dass Jägerblut mit seiner Konzentration auf bajuwarische Sagen und Mythen ebenso absonderlich wie eigentümlich klingen. Wer allerdings reine Volksmusikpolka erwartet, wird enttäuscht, denn Jägerblut sind viel zu eigenständig und verquer, um als bloße Blaskapelle zu praktizieren. Natürlich ist auch solche Musik auf "1896-1906" vertreten, aber der Blick zurück auf die ursprüngliche Volksmusik ist genauso geprägt von Melancholie und Naturverbundenheit wie von Ausgelassenheit. Deshalb ist "1896-1906" auch ziemlich abwechslungsreich ausgefallen. Von reinen, auf der Akustikgitarre begleiteten Folksongs über schwermütigen Mystizismus bis hin zu, an derzeitige Volksmusik erinnernde Songs ("Da Wildschütz"). Sehr schön erhallen die atmosphärisch dichteren Songs wie etwa das Intro "Jagd" oder "D'Resl von Konnersreuth". Notwendigerweise stellt sich aber schon die Frage, wer denn nun der Rezipient dieses Stücks heimatlicher Kuriositäten sein soll. Da sich Jägerblut aber selbst keine Grenzen setzen und sich deshalb auch nicht auf einen kleinen Empfängerkreis festlegen, bleibt alles offen. Das auf 700 Stück limitierte und als liebevoll gestaltetes Digipack erscheinende Werk ist ein kleines, aber feines Meisterwerk, das aufgrund seiner auffallenden Kauzigkeit und teils seltsamen Umsetzungen zwar nicht alle begeistern dürfte, aber genau die richtigen Hörer finden dürfte.