Hereinspaziert, hereinspaziert! Menschen, Tiere, Sensation im fliegenden Zirkus von Direktor Ostermann! Geschichten von Verzweiflung, Schmerz und Tod, dargeboten in der bedrohlich düster-elektronischen Manege. In Strict Confidence sind wieder da, stärker und durchdringender als man je vermutet hätte. ‚La Parade Monstrueuse’ ist ein gut abgestimmtes Programm der Ungeheuerlichkeiten, kleine Geschichten, die zwar eigenständig und durchaus verschieden aufgebaut sind, im Ganzen jedoch ein stabiles, schwarzes Band der musikalischen Unterhaltung bilden. Die Gitarren nehmen auf dem neuen Werk wieder eine vordergründige Rolle ein, ein Einfluss der dem neuen Band-Mitglied Hay-Dee Sparks genauso zu verdanken ist, wie auch Lennart A. Salomon, der sonst mit Sono eher cluborientierten Sounds verschrieben ist. Dabei handelt es sich nicht nur um bretternde Wände, auch New-Wave-lastige Saitenarbeit integriert sich überzeugend in Stücke wie ‚Set Me Free’ oder die bekannte Single ‚My Despair’.

Mühe hat man sich definitiv gegeben, denn die Produktion von Wollschläger/Ostermann ist vielschichtig ohne dabei überfrachtet zu wirken. Vielmehr fällt die Liebe zum Detail auf und der Anspruch, aus den Songs das meiste zu machen und den Fans das gewisse Extra zu bieten. So zum Beispiel indem die Singles in neuen Versionen enthalten sind, wo man doch weiß Gott auf den beiden vorab veröffentlichten EPs genug Versionen zum ‚Zuschlagen’ gehabt hätte. Während ‚My Despair’ eher die romantisch-verträumte Seite von ISC betonte, folgt mit ‚Silver Bullets’ als zweite Auskopplung ein ausgesprochener Dark-Club-Titel, der insbesondere in der ‚Controlled Fusion’ Version der EP mit zusätzlichen Samples in den Strophen an die ‚Rabies’-Zeiten von Skinny-Puppy erinnern. ‚Headshot! Blood Spot!’, bei soviel Mitshout-Faktor muss das einfach ein Konzertfavorit werden. Todessehnsucht wird textlich in ‚Ewige Nacht’ transportiert, das sich zerbrechlich, am Anfang rein klavierbegleitet, nach und nach mit Streicherflächen zum Epos par excellence entwickelt.

Wieder schafft man es über das Album hinweg Deutsch und Englisch unter einen Hut zu bringen, genauso wie den erdig-dynamischen Gesang von Ostermann und den seiner weiblichen Song-Gespielinnen Antje Schulz und Nina de Lianin. Marschgetrieben ist ‚This is All’ genauso hervorragend anzuhören, wie das entspannte Midtempo-Stück ‚I Surrender’ mit dem vielleicht gelungensten Refrain im Duett. ‚Schwarzes Licht’ wird alleine von Antje Schulz vorgetragen. Auch dieser Song hat seine Qualitäten und wird souverän gesungen, wobei die Songs ohne den Chef für mich schon immer etwas im Hintergrund standen. Persönliche Vorlieben eben… Wer sich das neue Werk als Einzel-CD kauft kennt nur die halbe Wahrheit, denn die Bonus-CD in der nur wenige Euro teureren dicken Schnick-Schnack-Box mit Button, Aufnäher, Postkarten und Aufkleber lässt das Kinn zum zweiten Mal herunterfallen.

Zehn Tracks und zwei Videos bilden ein weiteres vollwertiges Album. ‚Am Abgrund’ eröffnet als textlich und musikalisch vollkommen umsortierte Version von ‚Ewige Nacht’ eine knappe Stunde Remix-Glückseligkeit. ‚Eilt herbei ihr dunklen Engel, die ihr über mich wacht!’ lautet der Refrain, ganz bestimmt einer der besten Titel der Doppel-CD was Ausdruck, Melodie und Produktion angeht. Des weitern sind zwei klassische ‚Extended Versions’ von ‚I Surrender’ und dem nicht auf dem Originalalbum enthaltenen Titel ‚I’m a God’ enthalten, die deutlich machen, dass die Ausgestaltung der Kompositionen in verschiedenen Ausprägungen für ISC mehr als nur die Produktion von Material bedeutet. Die zweite Interpretation von ‚I Surrender’ von ‚Controlled Fusion’ ist, wie schon deren ‚Silver Bullets’ Remix der letzten EP, deutlich clublastiger und hebt den Song damit in eine gefällig klingende 4/4-Dimension. Zwei gelungene Mixes von ‚Set Me Free’ mischen ASP und Rhys Fulber. Während der ASP Mix mystisch bis misteriös mit neu eingesungenen, ergänzenden ASP-Vocals überzeugt, konzentriert sich Fulber auf das Wesentliche und eleminiert schlichtweg die Gesangsspuren der Mädels! ‚My Despair’ präsentiert sich schließlich drumless als Ballade mit Streicher und dominanten Klavier-Anschlägen. Bei dem für ISC recht poppigen ‚Von hier bis zur Unendlichkeit’ und ‚Inner Senses’ dürfen nochmals die Damen ans Mikrofon. ‚La Parade Monstrueuese’ ist eine Parade Magnifique geworden.

Ein Album an dem wohl keiner vorbeikommen wird, der dem Genre zugetan ist. Die vier Jahre Wartezeit seit dem letzten Werk haben sich auf jeden Fall gelohnt. Das was hier mit einem gesunden Selbstbewusstsein geboten wird, besticht durch Ausgewogenheit und Kreativität. Hundert Minuten Musik ohne Ausfälle, die rund und durchdacht erscheinen und keinem Trend hinterher hecheln. ‚This is all you can expect from life’, um ‚This is all’ zu zitieren. Dass der Refrain dann mit ‘Kiss the Shotgun, carress the knife’ weitergeht ist dabei an dieser Stelle unerheblich...