In gewisser Weise ist "The Eclectic Measure", der aktuelle Longplayer der belgischen Formation HYPNOS 69, ein Meister-Lehrstück in Sachen 'erster Eindruck': Der steht eigentlich schon nach dem Erstkontakt mit Cover-Artwork, Booklet, Texten und Song-Titeln fest, noch bevor die ersten Takte des Albums angespielt sind. Und so formt sich vor dem inneren Auge langsam, aber bestimmt das Bild langhaariger, bärtiger Gesellen, die an einem warmen Herbst-Nachmittag irgendwo weitab unserer hektischen Welt im Grünen den Tag an sich vorbeistreifen lassen, um dann in der Dämmerung und einer verrauchten, mit Postern längst verblichener Rock-Ikonen tapezierten Gartenlaube zu gleichermaßen schleifend-schwerer wie auch psychedelisch-atmosphärischer Musik über Sonne und Mond und Universum und das Leben als solches zu sinnieren. Ein sehr dominanter Eindruck, wie gesagt, der auch durch die entrückt-spacig wirkenden Klänge des Intros eher noch untermauert wird. Dann aber geht das Album plötzlich los... ... und ebenso schnell und bestimmt schließt man sie dann wieder, die Schublade mit dem fetten Etikett "Stoner Rock", in die man "The Eclectic Measure" noch Augenblicke zuvor einzuordnen bereit war. Sicher, zu verleugnen sind gewisse Parallelen über die ganze Spieldauer des Albums nicht. Aber weitab von Klischees und Genres sind die Herren von HYPNOS 69 vor allem eines: verdammt gute Musiker, die sich zielsicher zwischen einer beeindruckenden Vielzahl von Stühlen bewegen, die sich kaum mit Skrupeln plagen müssen, was das Vermengen aller möglichen (und, wie man meinen könnte, eher gegensätzlichen) musikalischen Stilrichtungen betrifft, und die auch sowohl an Inspiration und Kreativität als auch an purem Handwerkszeug über die Voraussetzungen verfügen, die es zu erfüllen gilt, um diesen ultimativen Crossover professionell und überzeugend zu inszenieren. Wer es vermag, sich Musik irgendwo in der Schnittmenge von alten Pink Floyd und King Crimson, frühen Genesis und aktuellen Bands wie Riverside, den Flowerkings, Monster Magnet oder auch den Wüstenrock-Göttern Kyuss annähernd vorzustellen, eine Synthese aus technisch anspruchsvollen Progressive-Elementen, Jazz-Passagen, spacig-verträumten Melodien, enorm vielseitiger Instrumentierung und gelegentlich überraschend geradlinigen, druckvollen Heavy-Rock - Passagen, der hat schon mal ein recht gutes Bild von dem Material, aus dem die insgesamt zehn Tracks des Albums gemacht worden sind. Das allein ist an sich imposant genug. Nichtsdestotrotz aber, und auch angesichts der mehr als nur ordentlichen instrumentalen Leistung, die dieses Album darstellt, zeigt sich das Talent der Band massiv an einer ganz anderen Stelle: Über die ganze Länge der CD präsentieren sich die Belgier als begnadete Songwriter, denen es gelingt, eine unglaubliche Menge an Ideen, Inspirationen, an intensiven Melodien und sorgsam umgesetzten Details in Stücken wie "Halfway To The Stars", "Forgotten Souls" oder "The Eclectic Measure" zu verbauen und dabei sowohl die Tracks als solche als auch das Album insgesamt homogen, kompakt, schlüssig wirken zu lassen. In dieser Hinsicht kann man's sehr viel besser wirklich nicht machen. Insgesamt ist "The Eclectic Measure" also eine rundum gelungene Angelegenheit und sehr viel mehr, als der erste Eindruck vermuten läßt. Wem für diesen Herbst noch Musik für die ruhigeren Nachmittage und Abende fehlt, der kann hier guten Gewissens zugreifen; ebenso wird sich die CD inmitten von Alben der vorangehend erwähnten Bands sicherlich wohlfühlen. Und dann findet sich doch noch ein 'Makel' an einem ansonsten voll und ganz empfehlenswerten Werk: Dieses Album braucht Zeit, um richtig funktionieren zu können, um all seine Vorzüge voll auszuspielen. Wer nach Easy-Listening und/oder Berieselungsmucke für die nächste Party sucht, der greift mit "The Eclectic Measure" sicher daneben. Für alle anderen greife ich zu 5.5 Zählern und hoffe, daß uns diese Band noch eine Weile erhalten bleibt...