Als ich diese Kassette ein paar Tage nach meinem Besuch des Synthie-Pop-Festivals in Stuttgart zum ersten Mal im Auto angehört habe, hätte ich mich sprichwörtlich fast überschlagen. Diese Band bzw. diese Aufnahme ist nicht aus den 80ern? Klingen die nicht wie xxx? Ich habe mich im selben Augenblick erneut geärgert, den Auftritt von Honeychurch damals verpasst zu haben. Honeychurch, namentlich Nico Ansorge und Achim Enchelmaier (der ebenfalls Mitglied der Stuttgarter Synth-Popper China-Touch ist), gibt es schon seit 1992. Grundstock ihrer musikalischen Arbeit: analoge Synthies, ein Tape Recorder und vor allem ein Faible für "old school synth pop without any 'dark wave' intentions", wie sie selbst sagen. 1994 erschien das erste Tape der Beiden und wurde sofort zum absoluten Verkaufsschlager. Nur zwei Jahre später veröffentlichte das Duo die "Parentcide"-EP. Es folgten einige Sampler-Beiträge und mit "Lolita Park" ging 1998 schließlich das zweite Tape an den Start. Von Honeychurch diesmal komplett selbst produziert, gibt es auf "Lolita Park" 6 Songs zu hören, die den Hörer geradewegs in eine Zeitmaschine verfrachten – straight back to the 80ies, als Talk Talk, Erasure, Yazoo, Soft Cell und viele andere noch von Liebe, Lust und Leiden(schaft) sangen. Nicht nur die typische MC-Soundqualität (die übrigens hervorragend ist), sondern auch die Tatsache, dass Honeychurch so richtig gut klingende Retro-Synthies benutzen tragen viel zu diesem Flair bei. Keiner der Synthies ist übrigens neuer als aus dem Jahr 1986, denn, wie mir Nico in einer Mail verriet: "alten Sound macht man mit alten Geräten, finde ich!" 100%ige Zustimmung meinerseits! Und Kassetten haben auch heute noch ihre Freunde! ;-) Auf "Lolita Park" stimmt einfach alles: die Melodien - melancholisch-poppig -, die einzigartige Stimme von Achim Enchelmaier, die mich mal an Mark Hollis von Talk Talk, mal an Andy Bell von Erasure erinnert (vor allem beim Track "Lolita Park" - warum eigentlich?), das lustige Pfeifen auf "Lines", dann wieder die trügerische Unschuld seiner Stimme auf "Whirlpool Paranoia" oder die einfach grandiose Cover-Version von Roxy Music’s "Same Old Scene". Auch hier ist Achims fast weinerlich vorgetragene Interpretation des Songs ungemein ansteckend und fesselnd. Außerdem scheinen die Beiden ein Faible für Samples zu haben, denn immer wieder (z.B. bei "The King") werden geschickt Stimmen, Geräusche oder ein kleines Stück Film(?)-Musik eingebaut, was der Nostalgie der Musik noch mal einen besonderen Touch gibt. Kein aalglatter 08/15-Synthie-Pop aus der Retorte, sondern der Soundtrack zu einem Jahrzehnt, an das die meisten von uns gerne oder zumindest mit einem Zwinkern zurückdenken. Falls ihr das Demo-Tape nicht mehr bekommen solltet – es ist auf 500 Stück limitiert und war, soweit ich weiß, während des Konzerts in Stuttgart so gut wie ausverkauft – ladet Euch ein paar MP3’s auf Honeychurch’s Homepage herunter und ordert dort gleich die erhältlichen CDs. Ihr werdet nicht enttäuscht. Diese Scheibe gehört meines Erachtens auch definitiv in die Sammlung jedes guten DJ’s, der sich den 80ern und schöner, elektronischer Pop-Musik verbunden fühlt.