Ein leichtes Schmunzeln huschte über mein Gesicht, als ich das Cover der CD betrachtete. In großen Lettern prangte dort der Hinweis: Dies sei die zensierte Variante des Booklets – die unzensierte, laut deutschem Recht wohl anstößige Version könne man sich für schlappe 3,- DM nach Hause bestellen. Solche Ansagen sind natürlich gefundenes Fressen für neugierige Gemüter wie meines. Was bitte muss da so provokant sein, dass es in Deutschland zensiert werden muss? Man ahnt Skandalöses, Blutiges oder zumindest etwas, das nach Leder und Stromstößen riecht.
Während ich noch in Gedanken durch verbotene Bilderwelten schweife, dudelt bereits das erste Stück vor sich hin. „Dudeln“ trifft es hier leider ziemlich gut – der Opener lullt mich mit einer Mischung aus Synth-Schleifen und vorsichtigem Klangexperiment ein, dass ich mich fast frage, ob ich versehentlich die falsche CD eingelegt habe. Aber kaum habe ich diese irritierende Frage formuliert, startet das zweite Stück – und plötzlich bricht eine andere Welt über mich herein: Der Sound dreht auf, die Maschinen laufen heiß, und mein Herz schlägt plötzlich im 130-BPM-Takt.
Jetzt ist es unüberhörbar: Hocico sind am Werk. Mir fegt gut tanzbarer, dreckiger EBM um die Ohren, wie ich ihn liebe – treibend, kantig und herrlich düster. Der heisere, kehlige Shout-Gesang passt perfekt zu den etwas härteren Tracks und trägt die aggressive Grundstimmung überzeugend nach außen. Es zischt, es kracht, und man möchte sofort das Licht dimmen und sich mit einer Nebelmaschine anfreunden.
Doch dann – ein Bruch. Track 5 schleicht sich heran wie eine dunkle Ahnung. Ein ruhiges, instrumentales Stück, das zwar atmosphärisch nicht völlig abfällt, aber mich doch in meiner neu gewonnenen Ekstase bremst. Der Titel ist auf Spanisch, und leider reichen meine Sprachkenntnisse gerade mal für ein „cerveza, por favor“. Ich kann ihn also weder lesen noch einordnen – vielleicht ist es besser so.
Mit Track 6 und 7 nehmen Hocico zum Glück wieder Fahrt auf und liefern noch einmal kompromisslosen EBM, wie er sein soll: roh, treibend, aggressiv. Der Spannungsbogen bleibt dabei spürbar erhalten – zumindest bis der Übergang in ruhigere Gefilde beginnt. Ab diesem Punkt wird das Album spürbar langsamer, ja fast zurückhaltend. 'Boiling Blood' markiert den letzten Song mit Vocals – danach wird es stiller.
Leider nicht nur musikalisch: Die CD greift zu einem uralten Trick aus der Mottenkiste der 90er-Jahre-CD-Spielereien – 55 (!) sogenannte „Leertracks“, die jeweils ein paar Sekunden Stille enthalten und einzig dazu dienen, Track 66 zu erreichen. Klar, wegen Satan und so. Ha-ha. Der Gag mag zur düsteren Ästhetik passen, aber ganz ehrlich: Wenn man sich durch sieben Minuten Leerlauf klicken muss, nur um zum finalen Stück zu kommen, vergeht einem ein bisschen die Lust am Ritual. Und dabei ist das letzte Stück eigentlich wirklich gelungen – düster, atmosphärisch, fast hypnotisch.
Unterm Strich ist Sangre Hirviente trotzdem ein starkes Album. Die Mischung aus tanzbarem EBM, dunklen Zwischentönen und der konsequenten, wütenden Energie macht die Platte zu einem Muss für Fans des Genres. Auch wenn nicht jeder Gag zündet und der Spannungsbogen etwas ungleichmäßig wirkt, bleibt das Gesamtwerk beeindruckend. Und man darf mit Spannung erwarten, was Hocico in Zukunft noch aus ihren Maschinen herausholen werden – vielleicht sogar ganz unzensiert.
Medienkonverter.de
Hocico - Sangre Hirviente

Astrea Redux - So Very Distant
In welche Schublade soll man sie einordnen ? Wave, Synthie-Pop, Gothik ? Man fühlt sich in die guten
Die Blumen des Bösen - Aus Ruinen

Bei dem Namen "Die Blumen des Bösen" mußte ich erst mal an die gleichnamige Gedichtsammlung (Les Fl