Ein kleines Stück Heimataerde nehmen sie mit, wenn sie (neologistisch) 'kaltwaerts' ziehen. Ashlar von Megalon und seine Mitbrüder starten ihren sechsten Kreuzzug und wieder wird getreu dem Motto "Die Tanzfläche will es" eine Heer Bässe mit mittelalterlichen Elementen verbunden.
Wie auch schon beim 'Gott[esver]gleich' 2012 zeigt man das Bemühen um erzählerische Dichte und fügt der DeluxeEdition ein Hörbuch bei. Haben sie also an alles gedacht um das Königreich der Himmel (in diesem Fall die Charts) zu erstürmen und sich die Gunst der Hörer zu erhaschen? Toll sieht es ja aus, das schicke DigiPack. Und da digitaler Musikhandel einen immer deutlicher werdenden Stellenwert einnimmt, gestehe ich es: ich bin oberflächlich und lasse mich vom Aussehen mitreißen. Und auch die Bookletgestaltung gefällt mit gelungener "Vergemäldelung" der Bandmitglieder. Aber schnell das Blendwerk beiseite gelegt, die Musik zählt allein und das knappe Resume lautet: absolut in Ordnung und für die richtigen Hörer sicherlich eine tolle Bereicherung im Schrank. Bassgewalt, häufig von hart-monotonen E-Gitarren Riffs flankiert bilden das Grundfundament für die meisten Heimataerde Tracks. Das Mittelalterliche kommt in meinen Ohren bei der Band an zweiter Stelle - sei es durch ein typisches Instrument, das die Hauptlinie spielt, durch stimmungsvolle Samples oder die Gesangslinie und -art. Heimataerde reißen live durch Kostümierung und ernergiegeladener Show mit, sind auf Tanzbarkeit getrimmt und bieten ein so entgegengesetztes Bild von Mittelalter-meets-Elektro zu zum Beispiel Helium Vola, die in erster Linie fordern und dann erst unterhalten. Doch die Band trifft mit ihrer Nähe zu Terminal Choice und Konsorten auf einen Bedarf und ihr Erfolg gibt ihnen Recht.
Meine Kritikpunkte sind deshalb einem künstlerischen Anspruch geschuldet. Wer reine (Ab)Tanzmusik sucht und inhaltliche Schnitzer überhört kann am Ende gerne 1 Punkt hinzufügen. Musikalisch klappt die inzwischen typische Mischung aus Ballern und Balladen auf Album 6 ganz gut, vor allem zu Beginn haut man schmissige Themen raus und kann voll punkten. Reinhorchen können Interessierte getrost in die Freundschaftspflege "Bruderschaft", das wirklich toll vorantreibende Titelstück und das mit seiner gelungen-altertümlichen Gesangslinie überzeugende "Die Wanderschaft". Danach erreichen Heimataerde nicht mehr dieses musikalische Niveau, doch wird viel Abwechslung geboten und mit jeden Track eine andere Stimmung erzeugt.
Ob Ballade, Erzählstück, dahintreibende Elektronummer oder Stampfer - die Band zeigt die in den Jahren gewonnene Professionalität. Bei der musikalischen Untermalung des Hörbüches greift man zum Teil Themen des Albums auf und bereichert das Geschehen gekonnt. Daumen hoch hierfür. Wenns die Musik nicht ist, so ists etwas anderes: Heimataerde haben auch textlich ihren Weg gefunden und mich damit nie erreichen können - so auch auf 'Kaltwaerts'. Mag es an Standartfloskeln ("Heut' ist ein guter Tag [zum Sterben]"), schlicht viel zu überhörten Zeilen ("Schau tief in mein Herz, es schlägt auch ür dich", "...folge mir und sieh' das Licht") oder einfach ein sich mir nicht erschließender Gesamtzusammenhang (der Geschichte auf dem Album, nicht dem Hörbuch) liegen, ich störe mich an den Texten und bin oft leider genervt, obwohl mir die Melodie und Instrumentierung zusagen (ganz besonders beim musikalisch tollen Lied 8 wirkt das etwas angestrengt gerufene "Verdammt nochmal" textlich viel zu salopp für die angestrebte Atmosphäre und reißt mich aus der Hörfreude, "...ein guter Tag zum Sterben" hat eine ähnliche Wirkung). Ähnlich verhält es sich bei den Textpassagen und dem Hörbuch der Bonus-CD.
Mittelalterliche Romane landeten gerade in den letzten Jahren im Duzend billiger auf dem Markt und als Freund dieser Kost konnte man einen gewisssen Anspruch entwickeln. Die Worte berühren mich trotz schöner Betonung und stimmungsvoller musikalischer Untermalung zu keinem Zeitpunkt - weder textlich noch inhaltlich. Heimataerde und ihr Sound - das ist nicht unbedingt große Kunst, aber ergibt ein stimmiges und immer besser werdendes Bild. Über die Inhalte lässt sich streiten und immerhin ist die Band bemüht, nicht nur "Ich töte dich", "Blut Gehirn Massaker" und "Du bist doof" Texte zu sammeln wie es sonst im Elektro oft der Fall ist. Doch sprachlich geht bei den Texten so viel mehr, um Authentizität und Spannung zu transportieren.