Eigentlich sollte es gestern Rummelsnuff werden. Ein bisschen Seemannspogo, ein bisschen Muskelspielerei im Feierwerk. Doch dann die bittere Erkenntnis: ausverkauft. :-/ Keine Abendkasse. Was tun? Ein schneller Griff zum Handy, ein Wisch, ein Tipp – und schon poppt ein vielversprechender Alternativplan auf: GrGr und Cosey Müller im Import Export. Noch nie dort gewesen, aber hey – neues Abenteuer, neue Bands, neuer Schnaps. Also nix wie rein ins Uber. Klar war ich zu früh da, aber egal. Der Abend entwickelte sich prächtig: Cosey Müller, wie immer eine Performance zwischen Dada und Synthie-Wut – und GrGr? Die haben mich von der Bühne runter ordentlich wachgerüttelt. Grund genug, mal nachzuhören, was das Münchner Projekt so auf Platte kann. Genauer: was das Album 'Kopf' kann, das zwar schon 2022 erschien, aber bis heute durch die Gehörgänge schmirgelt wie frisch gepresst.
Kopf also. Der Titel ist Programm. Es geht um das, was uns alle umtreibt – im übertragenen wie im ganz konkreten Sinn. Alles dröhnt, alles dreht sich: Pandemie, Kriege, Arbeitsdruck, gesellschaftliche Dauerverkrampfung. Und GrGr haut nicht auf die Pauke – er hämmert aufs Stirnbein. Der Sound: irgendwo zwischen NDW-Gedächtnisparty, Synthpunk-Abfahrt und Gameboy-Nostalgie. Mal albern, mal wütend, mal herrlich absurd. Texte wie Fieberträume mit Klartextunterbrechung. Keine langatmige Analyse, sondern die vertonte Kurzschlussreaktion auf eine Welt, die einem dauernd das Hirn frittiert.
Musikalisch ist das alles erfreulich unfertig – und genau deshalb so charmant. Die Gitarren dürfen quietschen, die Beats dürfen stolpern, die Synths dürfen schräg durch die Gegend fiepen. Man hört, dass da jemand keine Hochglanzproduktion abliefern wollte, sondern ein Album, das sich anfühlt wie eine spontane Demo, die aus Versehen klug geworden ist. Jeder Track klingt wie eine andere Laune, ein anderes Symptom. Mal melancholisch, mal ballernd, mal komplett entgleist. Und immer wieder diese herrlich trockene Art, mit der GrGr den ganz großen Themen begegnet – als würde man sich über Weltuntergang und WLAN-Ausfall in einem Satz beschweren.
Fazit: Kopf ist wie ein musikalischer Nervenzusammenbruch mit Groove. Wer auf Elektro-Punk, NDW-Schmutz und deutsche Texte mit Ecken, Kanten und gelegentlichem Kopfschuss steht, wird hier bestens bedient. Nichts für Leute, die musikalische Wellness wollen – aber perfekt für alle, die lieber zu ihren Problemen tanzen, statt sie zu verdrängen. Ein Album wie eine durchgerauchte Nacht mit viel zu vielen Gedanken und einem sehr guten Soundtrack dazu.