Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, dass scheinbare Gegensätze wenn sie dem aus Korsett stereotyper und vorgefasster Sichtweisen befreit doch wieder vereinbar werden. Greifenkeil legen ihr zweites Werk "Symbol" und den musikalisch, künstlerischen Beweis dazu vor. Doch fangen wir am besten von vorne an. Thematischer Ausgangspunkt dieses Albums sind Ausgrabungen aus dem Jahr 2005 in einem unbedeutenden Ort namens Goseck in der Nähe von Leipzig. Dort werden Reste eines Bauwerks freigelegt die beweisen, dass es in Europa vor ca. 7000 Jahren eine Kultur gegeben haben muss, die vielleicht eine Hochkultur war, wie wir sie aus anderen Teilen dieser Welt wie z.B. Indien oder Ägypten kennen.

Wer das Debüt Album kennt weiss, dass die Musik von Greifenkeil fest im elektronischen Hier und Jetzt verwurzelt ist, und das wird auch bei diesem Album konsequent weitergeführt und verfeinert. Ein so archaisches Thema mit tanzbarer, teilweise industrieller aber auch sehr epischer Elektronik zu versehen ist mutig und selten. Herausgekommen ist dabei eine Reise zurück in eine verloren geglaubte Welt. Wer sich auf diese Reise einlässt - sie wird in der mir vorliegenden Collectors Edition auch fühlbar beschrieben und graphisch illustriert, wird verstehen was ich eingangs mit den scheinbaren Gegensätzen gemeint habe. Das einleitende erste Stück "Symbol" enthält das beste aus beiden Welten: tanzbare Elektronik sowie archaische Klänge und Gesang, der teilweise an die Kunstsprache einer Elizabeth Fraser von den Cocteau Twins erinnert: Ekstase ist nicht getrennt von Spirituellem, der Geist nicht vom Körper, die Menschen nicht von den Göttern. Im 24 seitigen Booklet wird die Reise (in 3 Akte gliedert) beschrieben, dass sie uns zuerst mit den tagtäglichen schmerzhaften Realitäten konfrontiert, seien es die "barmherzigen Taten" der Christenheit wie im Stück "Untergang". Die biblische Aussage "macht euch die Erde Untertan" hat auch noch eine „religiöse Legitimation“ geliefert der Ausbeutung und Zerstörung der Erde Tür und Tor öffnen. Ein Blick auf das Wetter dürfte mittlerweile den ignorantesten Zeitgenossen bewusst machen, was so eine Mentalität zur Folge hat. Oder die "Befreiungskriege" der so unbescholtenen westlichen Demokratien in Stücken wie "Survivor" oder "Democracy". Wer etwas verborgenes in der Tiefe sucht muss da leider wohl durch. 2.Akt "Passage".

Nach dem genialen "Selling yours Souls" (wer hier nicht tanzt ist selber Schuld) kommen wir zu "Curse". Ein Zauberspruch und Fluch zugleich, irgendwie hängt mit diesem Stück auch die beiliegende Karte - dem sog. Berührungsschlüssel mit elbischen Worten - zusammen. Spannend und magisch zugleich - hier gibt es was zu entdecken. Im Zweifelsfall nachfragen. Angekommen im 3. Akt "Wiedersehen". Das eingangs gegebene Versprechen wird eingelöst die Reise ist zu Ende und beginnt zugleich! Für mich sind es diese Stücke - etwas banal eingeordnet in rhythmisch, archaischen Ambient – allen voran "Ahnentempel" und "Wintersolstice" die Greifenkeil zu würdigen Nachfolgern eines künstlerischen Underground machen, den Leute wie Dead can Dance oder 4AD seinerzeit begonnen haben. Würdig deshalb weil nicht einfach Sounds kopiert, sondern Idee und künstlerischer Funke weitergesponnen werden!

Das besondere Artwork (die CD hat A5 Format, ist aus festem schwarzen Karton, geprägt und mit silberne Farbe gedruckt) hatte ich schon erwähnt. Man wird die CD noch nach Jahren gern in die Hand nehmen und hören. Das tut gut in unserer kurzlebig-digitalen Wegwerf-Gesellschaft! Nicht genug damit - bekommen wir auf CD2 noch 12(!) Remixe von Greifenkeil und Künstlern wie Qntal, Implant, Monolith, Acylum, Puissance etc. die alle sehr gute und eigenständige Arbeit geleistet haben und sowohl im Kopfhörer als auch im Club funktionieren. Die CD ist ein kleines Kunstwerk für die Ewigkeit. Genießt es!