Beim Black Metal aus deutschen Landen bin ich ja, wenn es um Favoriten geht, arg eingefahren und schwer zu überzeugen. Vor allem, wenn wie es beim (eher) reinen Black Metal belassen und den DSBM außen vor lassen. Ja, es finden sich immer mal nette neue Namen in meiner Liste, aber es werden wohl immer Nocte Obducta, Dornenreich und Lunar Aurora bleiben, bei denen ich ein Funkeln in den Augen bekomme. Jedoch: Nocte Obducta haben seit der Galgendämmerung meinen Geschmack nicht mehr (wirklich) getroffen, Dornenreich sind inzwischen mehr Folk als hart (was ich sehr begrüße) und Lunar Aurora sind Geschichte - letztere aber überzeugten mich mit ihrem Black Metal nicht nur bis zum Ende, der Abschluss war mit Hoagascht der krönende. Neun verdammt geile Alben, unterschiedlichste Phasen, die fast immer Perfektion bedeuteten und dann ... vorbei. Und nun lausche ich Gràb und ja, der Vergleich ist zumindest im Sound absolut berechtigt.

Hört man sich das Debüt einer Band an, so schraubt man oft die Ansprüche ein wenig runter - die Band ist neu, die Musiker eventuell jung. Aber diesen Bonus bekommt das momentan als Duo agierende Projekt von mir nicht, denn weder Grànt, ehemaliger Fronter bei Dark Fortress, noch Gråin sind Neulinge im Musikgeschäft. Und hinter der Tatsache, dass man seit sechs Jahren agiert, bereits drei Musiker unter den Ehemaligen aufführen muss und jetzt erst das erste wirkliche Werk herausbringt (abgesehen von einer EP aus dem Januar, die die ersten drei Titel des Albums enthielt) vermute ich weniger CHaos als mehr ein klares Ziel.

Auch wenn das wunderschöne Albumcover die Vermutung mehren könnte: Gràb ist anscheinend im bayrischen Dialekt synonym für grau oder alt und da haben wir auch schon die erste Verbindung zu Lunar Aurora - es ist aktuell ein kleiner Trend, Black Metal in Mundart anzubieten, in diesem Fall Bayrisch (und bitte, ich weiß nicht, in welcher Region Bayerns man so spricht). Das ist ein nettes Gimmick, ich halte es immer für eine gute Idee, aber viel wichtiger ist der Sound: Vielleicht zur Zeit von 'Elexir of sorrow' hatten Lunar Aurora einen ganz ähnlichen Sound und Aufbau, wie Gràb es heute präsentieren. Die meisten Songs zwischen fünf und neun Minuten, die Wall of Sound nicht rauschend, sondern recht transparent abgemischt, die Instrumente sauber gespielt und das Keyboard nicht komplett das Melodiegeschehen bestimmend - die Ähnlichkeiten sind deutlich. Vor allem aber bei den Vocals und der transportierten Stimmung muss sich das Duo den Vergleich gefallen lassen. Aber es gibt Schlimmeres, als mit einem solchen Namen verglichen zu werden, hoffe ich.

Und die Eigenständigkeit? Oder die Qualität des Materials? Naja, hier hapert es in meinen Ohren ein klein wenig. Denn auch wenn Gràb die dichte Atmosphäre und diese bedrückende Stimmung voller Schwere (ohne Wut, Stress, Hass, Resignation oder Verzweiflung - also Gefühle, auf die in meiner Wahrnehmung die meisten Bands setzen) sehr gut umsetzen, fehlten mit die besonderen Momente. Ich würde sofort eine Live Begegnung wagen und sicherlich auch kommende Veröffentlichungen anhorchen. Aber hier ist kein Song, der mich im Herzen traf. Auf fast jedem Album von Lunar Aurora kann ich mindestens einen Song benennen, den ich sofort nachsummen könnte und anhören möchte. Jederzeit. Das wird mit 'Zeitlang' wahrscheinlich nicht der Fall sein, auch wenn "Nachtkrapp" wirklich emotional endet, der Titelsong ein schön eingebundenes Sample bietet und mit "Weizvåda", "Nordwand" und "S' letzte g'leit" drei weitere Songs ausgesprochen gut sind.

Eine sehr schöne Veröffentlichung, sicherlich besser, als ganz ganz viele andere, die dieses Genre monatlich rauspumpt. Alleine deswegen haben Gràb es verdient, dass man ihnen etwas Zeit gönnt und einmal einen Durchlauf wagt. Das Potenzial für mehr ist definitiv da, so wirklich viel anders müssten die Herren auch nicht machen, um vollends zu überzeugen: Es fehlen nur noch die besonderen Momente, die aus sehr gut wirklich geil machen würden.

 

Gràb

Zeitlang

 

01.10.2021

Trollmusic

 

https://grab.bandcamp.com/album/zeitlang

 

01. Sched oreidig (intro)
02. Nachtkrapp
03. Zeitlang
04. Weizvåda
05. Nordwand
06. A dåg im Herbst
07. Auf da roas
08. S'letzte G'leit
09. A gråbliacht