Am 31. Juli 1944 verschwand Antoine de Saint-Exupéry mit seinem Flugzeug bei einem Flug nach Grenoble. Als mögliche Ursachen kamen Abschuss durch die Deutschen, Absturz und auch Selbstmord in Frage. Die Welt verlor einen passionierten Flieger sowie begabten und gefeierten Autoren. Saint-Exupéry war in seiner Pilotenlaufbahn bereits mehrere Male nicht am Ziel angekommen. 1938 wurde er beispielsweise beim Versuch eines Rekordflugs durch einen Absturz schwer verletzt, 1935 musste er, ebenfalls bei einem Rekordversuch, in der Sahara notlanden und irrte fünf Tage in der Wüste umher, bis ihn Beduinen kurz vor dem Verdursten fanden. Nach diesen beiden Erlebnissen stellte er das Buch "Wind, Sand und Sterne" zusammen. Prägend für dieses Buch war vor allem die Grenzerfahrung in der Wüste, die schließlich auch zu seinem berühmten Buch "Der kleine Prinz" führte. Die norwegische Band Gazpacho hat sich genau dieses Buch vorgenommen und seine Geschichte in ein Konzeptalbum gegossen, das sich vor allem um die einsamen Tage dreht, in denen Antoine de Saint-Exupéry seinem fast sicheren Tod entgegen ging. Konzeptalben sind Gazpacho nicht fremd, haben sie doch mit "Night" bereits ihr Können auf diesem Gebiet bewiesen. Doch ihr neues Werk "Tick Tock" ist an der großen Aufgabe gewachsen und wurde nicht nur das bis dato beste Album der Band, sondern dürfte auch in Art- und Progressive-Rock-Kreisen für erhebliches Aufsehen sorgen. Eigentlich spielt Gazpacho auf "Tick Tock" nicht nur Art und Prog, sondern auch ein bisschen Pop oder eben nur Rock. Die Norweger gehen so diffizil ans Werk, dass sich das Album nicht festlegen lässt oder lassen will. Was "Tick Tock" so atemberaubend macht und für einen Ohrwurm nach dem anderen sorgt, ist das schier unglaubliche Geschick der Band für Melodien, die, obwohl im ständigen Fluss befindlich, süchtig machen. Sänger Jan-Henrik Ohm schwebt mit den Melodien auf einer melancholischen Welle und erklimmt mit seiner Stimme große Höhen, was trotz des bittersüßen Beigeschmacks hervorragend passt. Gazpacho lassen immer einen instrumentalen Part auf den Gesang folgen, in dem Jan-Henrik Ohm einen Teil der Geschichte erzählt hat. Die Musik folgt damit einer Wellenbewegung, in der sich die Instrumente gegenseitig die Karten zuspielen. Dieses Pulsieren wird durch den verminderten oder vermehrten Einsatz des Schlagzeuges noch verstärkt, was den Instrumentalparts ebenfalls zu einer an- und abschwellenden Dramatik verhilft. Das "Tick Tock" des Albumtitels findet sich nicht nur im Titel des gleichnamigen, dreiteiligen Songs wieder, sondern auch im Song selbst. In den über 22 Minuten dieser drei Teile ist das an eine Uhr oder ein Metronom erinnernde Ticken ein ständiger Begleiter. "The Walk" wird hingegen durch Akustikgitarre und ein wenig Tribal Percussion bestimmt. Die Aufteilung der Songs spiegelt perfekt die persönliche Zeiterfahrung von Antoine de Saint-Exupéry wieder. Der Flug ist relativ kurz, es folgt der lange Marsch durch die Wüste und schließlich scheint sich die Zeit endlos zu dehnen. Im Gegensatz zu Saint-Exupéry möchte man als Hörer dieses Erlebnis immer wieder erfahren, kann sich gar nicht satt hören an den Melodien, an Gesang, Gitarren, Schlagzeug und Synthies. Keine Ahnung, ob Antoine de Saint-Exupéry diese schwärmerische Vertonung seines Buches für gut befunden hätte. Aber selbst ohne die literarische Vorlage wäre "Tick Tock" vorbehaltlos zu empfehlen, wenn nicht wärmstens ans Herz zu legen.