Nach zwei erfolgreichen und gelobten Konzeptalben dürften die Erwartungen an ein neues Gazpacho-Album sehr hoch sein. Einige Fans könnten allerdings auch die Meinung vertreten, was da jetzt noch kommen solle, die Alben "Night" und "Tick Tock" seien doch nicht mehr zu überbieten. Und wie gehen Gazpacho mit diesen Erwartungshaltungen um? Sie veröffentlichen einfach noch ein Konzeptalbum. So als ob überhaupt kein Druck auf Ihnen gelastet hätte, gingen sie mit geradezu beachtenswerter Gradlinigkeit an ihr neues Werk "Missa Atropos" heran. Nebenbei musste die Band auch noch einen neuen Drummer suchen und fand ihn mit Lars Erik Arp. Trotzdem ist "Missa Atropos" ein typisches Gazpacho-Album geworden, das allerdings im Gegensatz zu seinen beiden Konzeptbrüdern nicht direkt ins Ohr geht, sondern sich die Achtung und Aufmerksamkeit des Hörers nach und nach erkämpft. Das allerdings mit Leichtigkeit. Die etwas längere Einhörphase ist nicht etwa durch irgendwelche komplizierten und langatmigen Prog-Rock-Eskapaden der Norweger bedingt. Die hatten sie noch nie nötig. "Missa Atropos" ist hingegen ein Album der leisen Töne geworden, mit einer Geschichte über Einsamkeit, Trauer, Schicksal und Tod: Ein Mann zieht sich in die Einsamkeit eines Leuchtturms zurück, um die letzte Messe für Atropos zu schreiben, eine der drei griechischen Schicksalsgöttinnen. Atropos wurde auch die Unabwendbare genannt, denn sie zerschnitt den Lebensfaden der Menschen und bestimmte die Art ihres Todes, während ihre Schwester Klotho diesen Lebensfaden spann und Lachesis dessen Länge bemaß. "Missa Atropos" erzählt die Geschichte des Mannes, seine Beweggründe und seine Gedankengänge. Zugegeben, ein etwas weit hergeholtes Thema, aber Gazpacho scheinen diese theatralischen, kopflastigen Geschichten zu lieben. Spätestens beim dritten Durchlauf nimmt "Missa Atropos" den Hörer unweigerlich gefangen und lässt ihn nicht mehr los. Gazpachos Art bzw. Prog Rock klingt so, als ob Marillion und Pink Floyd sich zu einem melancholischen Stelldichein getroffen hätten. Dazu kommt die unaufdringliche und warme Stimme von Jan-Henrik Ohme. Ihren besonderen Klang verdanken die Norweger wohl auch ihrem sehr ausgeglichenen Sound, denn hier spielt kein Instrument die erste Geige, noch nicht einmal die Violine selbst. So schaffen es Gazpacho, trotz des komplexen Inhaltes, den Hörer zu verzaubern. Getragen von einlullenden Melodien wird die Geschichte des Mannes zu einer Art Traum. Dabei scheinen tiefe Melancholie und geradezu aufbauenden Momente gleichzeitig zu existieren und den Hörer in wohlige Gefühlswelten zu tauchen. Wie schon "Tick Tock", so lebt auch das neue Album von Stimmung und Atmosphäre. "Missa Atropos" sogar noch etwas mehr. Dieses Spiel hat die sechsköpfige Band mittlerweile zur Perfektion gebracht. Sie haben ihren Sound und ihren Weg gefunden. Ohne sich zu verdrehen, variieren Gazpacho die Elemente ihres Kosmos', erzeugen große Gefühle und wunderschöne Melodien. Das ist Prog Rock der unaufdringlichen, aber dafür umso mehr fesselnden Art. Großartig und bezaubernd. Damit wären wir wieder beim Anfang dieser Rezension. Was soll nach diesem Album noch kommen? Wir werden sehen…