FGFC820 - Law & Ordnance

Hat Steve Naghavi vor gar nicht allzu langer Zeit in seinem And One Ohr-Bandwurm mit der „Military Fashion Show“ den Hang zahlreicher Electro/EBM-Nerds zu militärischen Kleidungs-Memorabilia wie Tarnhose, Fliegerstiefeln und neuerdings auch Military-Halsketten ein wenig auf die Synthie-Schippe genommen, treiben es FGFC820 weg von der Schippe auf die Spitze. Aber weniger ironier- denn kritisierend. Fleckentarn Casual Wear, Gasmasken und sogar Kriegsbemalung werden im Cover und Booklet geboten. Destruktion und Zerstörung in den Texten. Klaustrophobie in Khaki und martialer Marsch, was die Mucke betrifft. Songtitel wie „Killing Fields“, „Vengeance“ und „Hello, Bhagdad“ machen im wahrsten Sinne des Wortes keine Gefangenen. Die ebenfalls abgebildete Kalashnikov erst recht nicht. Das gesamte Szenario lässt die Vermutung aufkommen, dass FGFC820 hier ein Konzeptalbum, ein musikalisch-martialisches und polit-kritisches Potpourri vorlegen. Die beiden Elektronikanten haben sich selbst als Rexx Arkana sowie schlicht als Dracos betauft. Klingt mysteriös, soll es auch. Und im Booklet „enttarnen“ sich die beiden nicht gerade– trotz aller Camouflage, des fast unaussprechlichen Bandnamens sowie der verwendeten Pseudonyme - als zwei Jungspunde, die dem potenziellen und tatsächlichen Käufer hier ziemlich prüfend ins Gesicht schauen. Andererseits wollen uns hier aber auch keine sprichwörtlich alten Säcke voll und ganz elektrifizieren. Es sind eher zwei ziemlich clevere 30 „plus Exen“ am Werke, die genau wissen, was sie tun und welche Regler sie zu drehen haben, um die Gesäßmuskeln nicht passiv sitzen, sondern auf dem harten Paket aktiv zappeln zu lassen. Denn Mr. Arkana und Dracos aus New York sind wahrhaft vom Fach und haben als Elektronik/Industrial-DJs schon jahrelange Schlachten auf den Tanzfeldern schlagen lassen. Eine korrekte musikalische Sozialisation dürfte ergänzend hinzu kommen. Und so knallt ein amtlich zertifiziertes Dark Electro/ EBM-Produkt US-amerikanischer Prägung aus den willigen Boxen. Ein Tempo selten unter 130 BPM wird fast permanent gegangen und marschiert. Die Bassdrum taktiert fast ausschließlich mit Four-on-the floor Rhythmen, harte synthetische Bässe tun treibenderweise im Untergrund ihre subfrequente Arbeit (Attention: Bewegungs-Legastheniker werden von der Club-Polizei gnadenlos weggesperrt!). Distortion aller Orten. Gerade was die Vocals anbelangt. Die kommen im wohlbekannten Krächz/Schrei-Ton, ergänzend dazu wird auch schon mal brisant geröchelt, denn Rexx u. Dracos teilen sich schon mal ihr Shure-Mikro. Das ist auch ökonomischer und macht nicht zuletzt das Pop Will It Itself-Cover („Ich bin ein Ausländer“), an der sich zuletzt auch schon die Krupps crossovernd versucht haben, eine ganze Prise vielfältiger. Dieses Komplett Menü wurde jedoch alles andere als altbacken in die Studio-Röhre geschoben. Wir befinden und schließlich im dritten Jahrtausend und nicht mehr in den von Größen wie Front 242 und Nitzer Ebb dominierten späten Achtzigern. Damals, als der nüchtern-zackige Vierviertel-Rhythmus den Marsch-Takt allzu schnörkellos, puristisch und von anderen Stilen hörbar differenziert vorgab. Nein, nein. Die Flächen dürfen hier schon mal mehr dem Trance entlehnt sein. Und – hübsch zerhackt und anschließend durch den Appegiator gewürfelt - können sie im Verbund mit einigen weiteren, eher artfremden Sounds (die andernorts auch schon mal durch irgendwelche Techno-Großraumdiscos fliegen dürfen), auflockern. Wieso auch nicht? Wie geschrieben, wir schreiben 2009 und wenn diese Mischung halt nicht zu aufdringlich durch den Gesamtmix wabbert, haben „fachfremde“ Sound-Auflockerungen doch auch durchaus ihre farbtupfernde Daseinsberechtigung. Auch Hocicos`s Sänger Erk darf da schon mal feist und diabolisch grinsend durch das Studio-Fenster blinzeln und eine kleine Reminiszenz in Form einer durchgedrehten und kreischenden Duftnote abgeben. Einflüsse aus dem zeitgenössischen Harsh-Electro ebenso. Und wieder sollte es doch heißen: O.K! Solange dies nicht im plumpen Plagiatentum ausufert (und das tut es wirklich nicht), haben die Hörer und Tänzer doch beileibe nischt dagegen. Darüber hinaus wäre ein etwaiger plumper Kopisten-Vorwurf schon ziemlich gemein, denn „talentrei“ – frei nach Dieter Bohlen -– sind die beiden absolut nicht. An die Klasse von musikalisch auf nicht allzu weit entfernter Baustelle tätigen Frontline Assembly oder Skinny Puppy kommt das düstere Gebräu freilich (noch) nicht heran. Deren äußerst versiert zubereitete „Elektronik-Lasagne“ - bei der Schicht für Schicht eng geknüpft übereinander gelegt wird, um schließlich maximal-intensivste, höchst klaustrophobische Stimmungsbilder im Hörer zu erzeugen - ist ja auch eh fast einzigartig. Ausbaufähig ist das Vorliegende aber selbstredend, denn der brennende Funke will leider nicht bei jedem Track völlig überspringen. Ob sich die beiden auflegenden Synthetik-Musiker in naher Zukunft dennoch zu wahren Elektrik-Pyromanen entwickeln können, wird die Zeit (und ihr Fleiß) zeigen. Das Potenzial, den an den Boxen Hängenden, unter dem Kopfhörer Saugenden bzw. dem Club-Goer flux in eine andere Welt zu katapultieren, hat „Law and Ordnance“ allemal. Eine Welt in der nicht alles schön, aber alles schön düster und aggressiv ist. Angenehm aggressiv und wohlig tanzbar. Eine größere Dichte an dickleibigen Smashern wie dem Opener „Hello, Bhagdad“ (vielleicht schon auf dem kommenden Album?) würde den sicheren Weg an die Speerspitze bedeuten.

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