Engelsstaub - Seelengeleiter

Engelsstaub - Seelengeleiter

Sicherlich hat noch manch einer die bittersüßen Mittelalterflöten von "Victim Of Love" im Ohr. Mit diesem Song verschaffte sich das Kasseler Projekt Engelsstaub das erste Mal Gehör in der Schwarzen Szene. Und: Oh, böses Kalenderchen! Dieser Song erschien bereits vor 30 Jahren. Wie die Zeit verrinnt. Auch ihr vielleicht bestes Werk "Anderswelt" (mit dem immer noch funktionierenden Club-Song "Fairieland") hat seine 25 Lenzen auf den Buckel. Im Laufe der nicht konstanten Karriere (zwischen den Werken "Anderswelt" und "Nachtwärts" lagen zwölf Jahre) durchschritt Mark Hofmann, später dann auch zusammen mit Schwester Silke (bis 2012) und dem immer noch treuen Janusz Zaremba, das Feld musikalischer Tristesse.

Angefangen im Fahrwasser des Darkwave, fanden sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Einflüsse beim Trio wieder. Teilweise elektronisch, teilweise antik, dazu ätherische bis esoterische Texte haben der Band ein solides Standing in der Gothic-Szene eingebracht. Dass Mark und Janusz nicht die begnadetsten Sänger unter Sonne sind: geschenkt. Dafür besaßen ihre Songs stets das gewisse Etwas; einen Wiedererkennungswert und Alleinstellungsmerkmal.

Zuletzt brachen Engelsstaub die musikalischen Strukturen mit dem 2019er Album "Mater Mortis" (wie die meisten anderen Longplayer auch einem Konzept folgend, hier den tradierten Horrorfiguren und Dämonen) auf, indem sich überraschend rockig-elektronische Klänge (mit einigen Vintage-Synthesizern im Hintergrund) einnisteten. Diese unerwartete Wendung hin zu teilweise fast schon unverschämt eingängigen Songstrukturen beweist einmal mehr, dass Mark und Konsorten nicht in ein künstlerisches Vakuum abdriften wollen.

Dass "Anderswelt" aber nachwievor Einfluss auf Engelsstaub hat, zeigt die Formation nun mit dem aktuellen "Seelengeleiter", das von den Erschaffern selbst auf der Homepage als offizieller Nachfolger des 1999 veröffentlichten Albums angepriesen wird. Bedeutet das also eine Rückkehr zum Neofolk-/Medieval-Sound? Ja! Aber mit Abstrichen.

Schließlich hat sich in den letzten 25 Jahren viel getan - auch und vor allem produktionstechnisch. Der Opener "Asphodelila" führt dies in großem Stil vor: archaisch donnernde Tribal-Drums, mystischer, weiblicher Gesang, wagnerianischer Chor in der Ferne und orchestrale Streicher. Dieser Song nimmt sich überhaupt nicht zurück und legt auf allen Ebenen ein großes Selbstbewusstsein an den Tag. Auch "Lux Et Veritas" lässt bedrohliche Bläser gleich der Hörner von Jericho auf die Hörerschaft los, während einmal mehr schwere Trommeln und leicht verfremdeter weiblicher Gesang dem Stück eine rätselhafte Aura verleihen.

Dem gegenüber stehen jedoch Songs, die vor allem durch Marks und Janusz' Gesang nicht richtig zünden wollen. Wie gesagt: Ihre Talente sind überschaubar. Wenn aber wie bei "Lament Rusałki (The Lament Of Rusalka)" der Vocoder sowohl bei Janusz als auch bei den weiblichen backing vocals über Gebühr eingesetzt wird, wird das Lied zunehmend anstrengend, zumal sich der Einsatz dieser Technik für diese Nummer nicht erschließt. Effekt nur um des Effekts willen? Das muss nicht sein!

Same same bei "The Sick Muse", das Marks präparietes Organ wie einen Fremdkörper im ansonsten sehr ansprechenden Klanggewand wirken lässt. Bisweilen hat man das Gefühl, dass sich Engelsstaub auf "Seelengeleiter" etwas zu sehr dem modernen Klang anbiedert, beim Versuch allerdings keine gute Figur abgeben. Dabei sind Songs wie " Fading In The Dark" und vor allem "The Truth Lies Beyond" ob ihrer kompositorischen und gesanglichen Naivität immer noch am ausdrucksstärksten, weil sie ohne technische Firlefanz sich voll und ganz auf die Botschaft des Songs konzentrieren können.

Zwar reicht "Seelengeleiter" nicht an die Brillanz von "Anderswelt" heran, kann aber mit einigen wunderschönen Songs punkten, die einmal mehr darlegen, warum Engelsstaub immer noch eine interessante Gruftie-Band ist.

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