‚Über den Sternen‘ ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Veröffentlichung. Nein, der Fakt, dass es das zweite Album seit der fast 15 Jahre zurückliegenden Bandauflösung ist, spielt dabei keine Rolle. Aber nicht nur Empyrium, sondern auch ihr Stammlabel Prophecy Productions feiern mit ‚Über den Sternen‘ ein Vierteljahrhundert Bestehen. Das Debut ‚A wintersunset …‘ war 1996 das erste Album, dass unter dem Banner Prophecy veröffentlicht wurde und sein Erfolg war auch der Grund, das Label fortzuführen. Und heute kann man konstatieren: Es ist etwas Besonderes, dass ein Projekt derart lange einem Label so treu geblieben ist, man gemeinsam recht groß wurde und die Geschichten quasi ineinander gewoben erscheinen. Ist aber ‚Über den Sternen‘ inhaltlich ein Album, dass diesem Jubiläum gerecht werden kann?
Es ist in jedem Fall das Album, dass ich mir 2014 gewünscht hätte. Damals kehrten Empyrium zurück mit ‚The turn oft he tides‘ und ich kann mich bis heute nicht wirklich für das Album erwärmen. Viel zu beliebig, viel zu sehr auf ein größeres Publikum gerichtet und viel zu künstlich klingend fehlte dem Album genau das, was in meinen Augen dieses Projekt eigentlich ausmacht: Ein Zauber. Eine Magie. ‚The turn oft he tides‘ hatte mir nur deutlich gemacht, was mir am Debut bis heute nicht gefällt: Es ist der Keyboard Sound. Eigentlich habe ich ja ein Faible für schräge, künstliche Keyboardsounds und viele Alben werden für mich durch Orchestrierung nicht besser. Aber mit Empyrium geht es mir anders und ich würde ‚A wintersunset …‘ wirklich gerne einmal mit natürlichen Instrumenten aufgenommen hören. Das folgende Werk war noch dem romantischen Black Metal verschrieben, die beiden folgenden Werke waren derart traumzaubergleich, dass Empyrium bis heute einen besonderen Fleck in meinem Musik-Herz einnimmt – insbesondere natürlich ‚Weiland‘, das in meinen Ohren die Perfektion an naturmystischen Folk darstellt. Und ‚Über den Sternen‘? Ich gestehe, meine Erwartungen waren verhalten. Ideal, um dieses Album zu entdecken, das die Geschichte und die Wandlungsfähigkeit der Band schlüssig in sich vereint und insbesondere auf der ersten Albumhälfte wirklich beeindrucken kann. Es ist eine ausgesprochen glückliche Rückkehr sowohl zu alten schwarzmetallischen Tagen als auch zu den folkigen. Ja, und ein klein wenig zum direkten Vorgänger, aber angenehm dezent.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Empyrium ein solches Werk eingespielt hätten, wenn man sich 1999 nicht entschieden hätte, den Strom abzuschalten. Denn wie schon auf ‚Songs of moors & misty fields‘ ließ man deutlicher natürlich klingendem Folk einfließen, bevor man sich einer langsamen, sanften Form des Black Metals hingab, gänzlich frei von Brutalität. ‚Über den Sternen‘ schließt nicht nur auf dem wundervollen Cover den Kreis, die Lieder sind schlüssige Wechselspiele aus diesen beiden Elementen, Schwadorf singt und kreischt so, wie er es schon immer tat, Helms klassischer, leicht schwülstiger Gesang ist für mich neben dem Sound und den besonderen Melodien Haupterkennungsmerkmal Empyriums. Und er ist einfach wunderbar. Gerade die ersten drei Songs, „The archer“ und der ausufernde Titel- und Abschlusssong werden Fans der Band Freudentränen in die Augen treiben. Für mich sind es dabei insbesondere der Opnener und „A lucid tower beckons on the hills afar“, die alles zu bieten haben, was ich mir von Empyrium wünschen könnte.
Ja, „Moonrise“ und „In the morning mist“ sind nur okay und ja, trotz sehr guter Lieder ist die zweite Albumhälfte nicht so ergreifend, nicht so grandios und kann sich etwas verlieren, wenn man dem geschehen nicht mit Aufmerksamkeit folgt. Aber bedenkt man das Niveau, auf dem ich Kritik übe, so befinde ich mich tatsächlich wohl selbst schon ‚Über den Sternen‘.
Alben, die in einem Jubiläumsjahr erscheinen begegnen häufig großen Erwartungen auf Seiten der Fans und werden auch in Kritiken im Besonderen durchleuchtet. Über Sinn und Unsinn einer solchen Erwartungsverknüpfung kann man streiten, nicht aber, dass ‚Über den Sternen‘ ein ganz wundervolles Album geworden ist – ob nun zum Jubiläum oder nur für sich alleinstehend. Momentan würde ich sogar mutmaßen, dass es das Potenzial birgt in meinem inneren Ranking ‚Where at night the wood grouse plays‘ von Platz zwei zu vertreiben. Ich hätte ehrlich nicht mit einer solch starken Vorstellung gerechnet und bin als Sammler und Fan hocherfreut. Na dann hoch die Tassen, jeder für sich, in seinem Zimmer mit notwendigen Abstand aber voller Hochachtung für Band und Label (das damit hoffentlich ein weiteres erfolgreiches Jahr mit vielen tollen und bitte nicht zwiespältigen Veröffentlichungen angeht. Deine Lakaien lassen ja auch auf Wertarbeit hoffen).
Empyrium
Über den Sternen
26.02.2021
Prophecy Productions
https://empyrium.bandcamp.com/album/ber-den-sternen
02. A lucid tower beckons on the hills afar
03. The oaken throne
04. Moonrise
05. The archer
06. The wild swans
07. In the morning mist
08. Über den Sternen